Washington "Es gibt nichts Glorreiches im Krieg"

Washington · Obama hat den Republikaner Chuck Hagel als Verteidigungsminister nominiert.

Chuck Hagel war 21, als er dem Tod um Haaresbreite entging. Das gepanzerte Fahrzeug, in dem sein Trupp saß, fuhr im Mekongdelta auf eine Mine. Trotz schwerer Verletzungen gelang es ihm noch, seinen Bruder Tom aus dem brennenden Wrack zu ziehen, bevor der Wagen explodierte. Das Drama hat Hagel geprägt. "Es gibt nichts Glorreiches im Krieg", hat er einmal gesagt.

Als 2002 neokonservative Schreibtischkrieger zum Alleingang im Irak trommelten, rief der Senator aus Nebraska zum Innehalten auf. Der Regierung George W. Bushs warf er vor, voller Hochmut auf die europäischen Verbündeten herabzuschauen, statt behutsam Koalitionen zu schmieden. Gegen den Einmarsch war er nicht, doch als der Irak im Chaos versank, beklagte er sich bitter über den Größenwahn der Hardliner. Amerikanische Politik, schrieb er, dürfe nicht auf dem Glauben an eine "göttliche Mission" beruhen.

Jetzt hat US-Präsident Barack Obama Chuck Hagel als Verteidigungsminister nominiert. Es wäre nicht der erste Republikaner, der im Kabinett Barack Obamas das Pentagon leitet. Den Anfang machte Robert Gates, ein Konservativer der alten, gemäßigten Schule, übernommen aus der Bush-Riege, um den Abzug aus dem Irak abzuwickeln.

Genau wie Obama ist Hagel ein abwägender Realpolitiker, der Interventionen als allerletzten Ausweg versteht. So plädiert er dafür, alles zu versuchen, um den Nuklearstreit mit Iran diplomatisch zu entschärfen. Es gehe allein darum, Teheran am Bau einer Atombombe zu hindern, nicht um einen Regimewechsel, betont der 66-Jährige. Wer beides vermenge, häufe "einen ganzen Haufen leicht entzündbaren Materials" an.

Für Gespräche mit der Hamas plädierte Hagel bereits, da galten die palästinensischen Islamisten in Washington noch ausnahmslos als Unpersonen. Am Afghanistan-Einsatz übte er Kritik, weil man in zwölf langen Jahren vergessen habe, worin der Sinn der Mission bestehe. "Wollen wir die Taliban eliminieren? Kinder zur Schule schicken? Abwasserrohre verlegen?" Nein, das Ziel sei immer gewesen, Al Qaida auszuschalten, nicht mehr. Da klingt der Vietnamveteran fast wie Obama.

Und selbst in den republikanischen Reihen gibt es nur wenige, die Hagel widersprechen würden, wenn er Kürzungen im Verteidigungsetat fordert. Der Streit um Hagel hat sich an anderen Sätzen entzündet. 2008 sagte er, dass "die jüdische Lobby eine Menge Leute hier oben (im Kongress, d. Red.) einschüchtert". Die Wortwahl war falsch: Zweifellos gibt es eine pro-israelische Lobby, sie besteht aber nicht nur aus Juden.

Im Abstimmungsverhalten des Ex-Senators findet sich dagegen nichts, was auf mangelnde Unterstützung für Israel schließen lässt. Dennoch zitiert das Leib- und Magenblatt der Neokonservativen, der "Weekly Standard", einen anonymen Senatsassistenten, der das Weiße Haus wissen ließ: "Beruft ihr Hagel, werden wir sicherstellen, dass ganz Amerika erfährt, dass er ein Antisemit ist."

Die Neokonservativen spielten mit gezinkten Karten, meint Gary Ackerman, demokratischer Abgeordneter mit jüdischen Wurzeln. Was sie in Wirklichkeit störe an Hagel, sei dessen geistige Nähe zu Obama. Im Übrigen: Wäre jeder, der israelische Regierungspolitik kritisiere, ein Antisemit, "dann wäre die halbe jüdische Bevölkerung Israels antisemitisch".

Obama nominierte gestern außerdem seinen Terrorabwehr-Topberater John Brennan als neuen Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA. Hagel und er müssen vom Senat noch bestätigt werden. Menschenrechtler halten Brennan vor, dass er in der Amtszeit von George W. Bush bei der CIA hohe Posten innehatte und damals Gefangene gefoltert wurden.

(RP)
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