Washington Ermittlungen gegen zweiten US-General

Washington · In die Petraeus-Affäre ist jetzt auch der designierte Nato-Oberbefehlshaber John Allen verstrickt. Unterstützte das FBI eine Privatfehde?

Die gesamte US-Hauptstadt verfolgt nervös die immer neuen Enthüllungen: Erst tritt CIA-Chef David Petraeus überraschend wegen einer außerehelichen Affäre mit seiner Biografin Paula Broadwell zurück. Dann gerät auch noch Obamas Top-General John Allen ins Visier der Ermittler. Der verheiratete Chef der internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan soll "unangemessene" E-Mails an eine ebenfalls verheiratete Frau in Florida geschickt haben.

Die Amerikaner fragen sich: Welche Rolle spielte die Bundespolizei FBI bei den Enthüllungen? An ihrer Spitze steht seit 2001 Robert Mueller, ein medienscheuer New Yorker. Er war gerade einmal sieben Tage im Amt, da ließen Entführer am 11. September Flugzeuge in die Zwillingstürme Manhattans krachen. Unter George W. Bush verdoppelte Mueller die Zahl der Antiterrorspezialisten in den Reihen seiner Behörde. Doch während die CIA den "Krieg gegen den Terror" mit enormem Imageschaden bezahlte, schon wegen der Wasserfolter und geheimer Gefängnisse in aller Welt, überstand das FBI die Ära Bush mit relativ unbeschadetem Ruf.

Als Muellers zehnjährige Amtszeit auslief, drängte ihn Barack Obama zu einer Verlängerung, zunächst bis September 2013. Nun aber kommt auch der FBI-Chef, an dem bislang alles abperlte, unter Druck. Je mehr bekannt wird über die verworrene Affäre um den zurückgetretenen CIA-Chef Petraeus, umso mehr gerät auch die Bundespolizei ins Zwielicht. Offenbar hat Jill Kelley, attraktive Organisatorin hochkarätiger Soldatenpartys in Florida, einen FBI-Agenten eingespannt, um eine Privatfehde zu führen.

Der Agent wiederum ließ sich nicht zuletzt von politischen Motiven leiten, übereifrig bemüht, den Republikanern Munition fürs Wahlduell zu liefern. Im Mai brachte er eine Untersuchung ins Rollen, in deren Verlauf Detektive über private E-Mails auf die Romanze zwischen Petraeus und Broadwell stießen. Der Beamte habe so besessen gewirkt, schreiben US-Zeitungen, dass ihn seine Vorgesetzten von den Ermittlungen ausschlossen. Zweifellos wollte er auch einer Schönen imponieren, der er nachweislich Fotos seines muskulösen Oberkörpers geschickt hatte – Jill Kelley.

Wichtiger ist die parteipolitische Dimension des Kapitels: Ausgerechnet eine Woche vor der Präsidentenwahl wandte sich der Polizist privat an Eric Cantor, den republikanischen Fraktionschef im Repräsentantenhaus, um die Affäre Petraeus an die große Glocke zu hängen. Die Story ließ sich aus seiner Sicht vielleicht gegen Obama drehen, als Beleg für Kungelei und Inkompetenz.

Cantor schrieb an Mueller, nach eigenen Worten, um sicherzugehen, dass "Direktor Mueller sich dieser ernsten Anschuldigungen und des potenziellen Risikos für unsere nationale Sicherheit bewusst ist". Ein ungewöhnliches Vorgehen, noch dazu so kurz vor der Wahl. Mit Sicherheit wird Mueller demnächst vor einem Kongressausschuss aussagen müssen, um die Puzzlestücke zusammenzufügen.

Schon jetzt sorgt der Auslöser, der die Ermittlungen in Gang brachte, für skeptische Nachfragen. Anfangs hieß es, Kelley habe sich von einschüchternden Zweizeilern Broadwells derart bedroht gefühlt, dass sie entnervt das FBI einschaltete. Was bisher bruchstückweise bekannt wurde aus den Mails der Petraeus-Geliebten, lässt aber nicht auf akute Gefahren schließen. "Lass ihn in Ruhe", "Hände weg von meinem Kerl", das war der Tenor.

Die "New York Times" zitiert aus einem Brief, in dem Broadwell ihrer vermeintlichen Rivalin vorwarf, sie habe Petraeus unangemessen unterm Esstisch berührt. Wieso, fragen sich Kommentatoren, ist dies ein Fall fürs FBI? Fest steht, dass Kelley bestens vernetzt ist auf der Luftwaffenbasis MacDill in Tampa, dem Sitz des Zentralkommandos der amerikanischen Streitkräfte. Als Sozialbotschafterin, so ihr offizieller Titel, hat sie Farbe in den grauen Soldatenalltag zu bringen.

Zum Bekanntenkreis der 37-Jährigen gehört auch John Allen, der im Frühjahr auf den Posten des Nato-Oberkommandierenden in Europa wechseln soll. Und auch Allen hat E-Mails an Kelley geschrieben, bis zu 30 000 Nachrichten, "unangemessene Kommunikation", wie ein Sprecher des Pentagon mitteilte. Joseph Dunford, sein bereits für Kabul nominierter Nachfolger, soll nun im Eilverfahren vom Kongress bestätigt werden, auf dass keine Lücke entstehe. Was aus Allen wird, behält das Weiße Haus vorläufig für sich. US-Präsident Barack Obama hat sich aber demonstrativ vor ihn gestellt: "Wir vertrauen General Allen", sagte ein Präsidialamtssprecher gestern.

(RP)
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