Ankara Erdogan streicht Evolutionstheorie vom Lehrplan

Ankara · Stammt der Mensch vom Affen ab? Vor einigen Jahren brachte ein türkischer Schüler seinen Lehrer mit dieser Frage in Schwierigkeiten. Das soll künftig nicht mehr vorkommen. Die Evolutionstheorie des britischen Theologen und Naturforschers Charles Darwin (1809-1882) wird aus dem Biologieunterricht der türkischen Schulen gestrichen - so der Plan von Bildungsminister Ismet Yilmaz. Damit drückt die konservativ-islamische Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan dem Bildungswesen ihren ideologischen Stempel auf.

Seit Mitte Januar liegen die neuen Lehrpläne für die türkischen Gymnasien auf dem Tisch, am 20. Februar sollen sie in Kraft treten. Für die Schüler bedeutet das: Sie werden im Biologieunterricht von dem bisher besprochenen Kapitel "Der Beginn des Lebens und die Evolution" nichts mehr hören oder lesen. Jeder Hinweis auf Darwins Evolutionstheorie wird getilgt. Stattdessen soll es ein unverfängliches Kapitel "Lebewesen und Umwelt" geben.

Erdogans Regierung führt seit Langem eine Kampagne gegen die Evolutionstheorie, die von vielen strenggläubigen Muslimen als gottlose Irrlehre bekämpft wird. 2009 untersagte der staatliche Wissenschaftsrat die Veröffentlichung eines Artikels über Darwin in einer Fachzeitschrift; die Herausgeberin wurde entlassen. 2011 handelte sich ein Gymnasiallehrer in Ankara einen Verweis ein. Er hatte auf die Frage des anfangs erwähnten Schülers, ob der Mensch vom Affen abstamme, der Klasse die Evolutionstheorie erläutert. Eltern zeigten den Lehrer bei der Schulbehörde an.

Die Streichung der Evolutionstheorie ist nicht die einzige Neuerung in den Lehrplänen. Die Werke muslimischer Wissenschaftler sollen künftig im Physik- und Naturkundeunterricht Vorrang haben. Islamische Literatur, bildende Kunst und Musik bekommen ebenfalls einen höheren Stellenwert. Dem Staatsgründer Atatürk, der vor über 90 Jahren die Trennung von Staat und Religion festschrieb, und seinen politischen Ideen soll hingegen künftig im Unterricht weniger Zeit gewidmet werden. Stattdessen will Bildungsminister Yilmaz ein neues Kapitel über den gescheiterten Putsch vom Juli 2016 und die Machenschaften des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen in den Lehrplan aufnehmen. Vor allem Oppositionspolitiker sehen darin einen weiteren Versuch Erdogans, den türkischen Staat zu islamisieren.

(RP)
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