Istanbul Erdogan soll 15-jähriges Mädchen geschlagen haben

Istanbul · In der westtürkischen Stadt Soma ist die Lage nach dem Grubenunglück mit mindestens 284 Toten weiterhin angespannt. In die Schlagzeilen rückte abermals Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Nach Medienberichten soll Erdogan bei seinem Besuch an der Unglücksgrube angeblich vor Wut auf Demonstranten die 15-jährige Tochter eines getöteten Bergmanns geschlagen haben. Die mutmaßliche Gewalt steigerte die Empörung unter Erdogan-Gegnern. Angehörige und Demonstranten werfen der Regierung vor, Schuld an dem Grubenunglück zu sein.

Eine Augenzeugin gibt laut einem Bericht der linksgerichteten Tageszeitung "Evrensel" an, die Tat gesehen zu haben. Erdogan habe dem Mädchen mit der Faust ins Gesicht geschlagen, berichtet die Zeugin. Das Mädchen habe beim Anblick des Ministerpräsidenten ausgerufen: "Was will der Mörder meines Vaters hier?" Darauf habe Erdogan mehrmals zugeschlagen. "Was ist das für ein Hass, wenn ein Ministerpräsident so etwas tut?", sagte die Zeugin weiter.

Der angebliche Vorfall trug sich zu, als Erdogan bei dem Besuch am Mittwoch wegen heftiger Proteste von Demonstranten aus seinem Dienstwagen ausstieg und in einem Supermarkt Zuflucht suchte. Mehrere Zeugen wollen aus Angst ihre Namen nicht nennen. Ebenfalls vor dem Supermarkt schlug der Premier einen Bergmann namens Taner Kuruca. Erdogan soll das Opfer als "Ausgeburt Israels" bezeichnet haben. Kuruca sagte der Zeitung "Radikal", er sei nur zufällig an dem Supermarkt vorbeigekommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Erdogan vorgeworfen wird, gegen unliebsame Zeitgenossen mit Gewalt vorgegangen zu sein. Im Jahr 2009 soll er im westtürkischen Aydin einen damals 13-jährigen Jungen am Nacken gepackt haben, weil dieser Parolen gegen die Regierung gerufen hatte. Bei Erdogans Besuch in Soma hatte zudem ein Berater des Ministerpräsidenten, Yusuf Yerkel, einen am Boden liegenden Demonstranten mehrfach getreten.

In Deutschland sorgt unterdessen ein für kommenden Samstag geplanter Auftritt Erdogans in Köln für Streit. "Einen Tag vor dem deutschen Europawahltag eine türkische Erdogan-Huldigungsshow in Köln zu veranstalten, ist inakzeptabel", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer "Spiegel Online". Grünen-Chef Cem Özdemir forderte Erdogan auf, nicht einfach Wahlkampf zu machen, sondern die Trauer der Menschen über das Unglück von Soma aufzugreifen. Özdemir warnte den Premier davor, "die Menschen weiter vor den Kopf zu stoßen".

(RP)
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