Istanbul Erdogan plant schon fürs Präsidentenamt

Istanbul · Der 60-Jährige will die Fäden in der Türkei weiter fest in der Hand halten.

Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei steht der Favorit fest, auch wenn es noch keine offizielle Kandidatur gibt. "Wir wissen mehr oder weniger, wer es sein wird", sagte Regierungssprecher Bülent Arinc. Jeder wusste, wen Arinc meinte. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wird sich nach allgemeiner Erwartung um das höchste Staatsamt bewerben und auf einen Sieg in der ersten Wahlrunde setzen.

In Ankara geht es jetzt darum, wie und mit welchem Personal Erdogan das Land ab August regieren will. Denn auch als Präsident möchte der 60-Jährige die Fäden fest in der Hand halten und die Kabinettssitzungen leiten. Gleichzeitig will er verhindern, dass die Regierungspartei AKP auseinanderbricht, wenn er nicht mehr da ist: Als Präsident muss Erdogan den Parteivorsitz aufgeben. Gerne hätte er deshalb seinen alten Verbündeten, den derzeitigen Staatschef Abdullah Gül, als Statthalter an die Regierungsspitze gesetzt, doch der lehnte ab.

Im Präsidentenamt wolle sich Erdogan mit einer Art Schattenkabinett aus verdienten Vertrauten umgeben, heißt es in Regierungskreisen. Bei diesen Beratern liege dann die eigentliche Entscheidungsgewalt, während die Ministerien nur Ausführungsorgane sein würden.

Doch zunächst will Erdogan sein Haus bestellen. Diadochenkämpfe in Kabinett und AKP sollen vermieden werden, doch einfach wird das nicht. Als Favorit für das Ministerpräsidentenamt gilt Außenminister Ahmet Davutoglu, der laut der Tageszeitung "Yeni Safak" seinerseits von Geheimdienstchef Hakan Fidan beerbt werden könnte. Damit wären zwei wichtige Posten mit loyalen Erdogan-Anhängern besetzt.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach dem künftigen AKP-Chef, denn dieser muss nicht nur loyal sein, sondern auch ein erstklassiger Wahlkämpfer und eine Integrationsfigur für die verschiedenen Parteiflügel. Nur wenige Politiker, wie Gül und Arinc, haben die nötige politische Statur dafür.

Umfragen sagen Erdogan nach dem AKP-Erfolg bei den Kommunalwahlen im März auch für die Präsidentenwahl rund 53 Prozent voraus.

(sei)
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