Peter Struck ist tot "Er war ein großer Sozialdemokrat"

Berlin · Einen Monat vor seinem 70. Geburtstag starb der frühere Verteidigungsminister und SPD-Fraktionschef Peter Struck.

Das Stromlinienförmige lag ihm nicht. Wenn er auf dem Weg in den Wahlkreis wegen einer wichtigen Abstimmung noch einmal in den Bundestag zurückgerufen wurde, fand Peter Struck nichts dabei, den Plenarsaal in Lederkluft und mit Motorradhelm zu betreten. Damit machte er klar, dass er sich eigentlich schon auf seinem "Bock" im Wochenende wähnte.

Gestern starb der langjährige SPD-Fraktionschef und frühere Verteidigungsminister Peter Struck überraschend in der Berliner Charité nach einem schweren Herzinfarkt. Kanzlerin Angela Merkel, der Struck in der großen Koalition immer wieder Paroli geboten hatte ("Die CDU kann mich mal") , würdigte ihn als "bedeutenden Parlamentarier und großen Sozialdemokraten".

Bleiben wird von dem leidenschaftlichen Politiker, dessen Markenzeichen Glatze, Schnauzbart und Pfeife waren, das immer wieder zitierte "Struck'sche Gesetz". Als Fraktionschef prägte er den Grundsatz: "Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist." Damit machte er klar, dass die Regierung zwar die Paragrafen vorformuliert, dass aber letztlich das vom Volk direkt legitimierte Parlament der Souverän in den wichtigen Angelegenheiten des Landes ist.

Struck war 48 Jahre SPD-Mitglied, gehörte 29 Jahre dem Bundestag an, war zweimal Chef der SPD-Fraktion und entdeckte zwischen 2002 und 2005 als Verteidigungsminister seine Hochachtung für die Truppe —was auf Gegenseitigkeit beruhte.

Der promovierte Jurist war ein Meister der kurzen Sätze. Angesichts der schrecklichen Bilder von den Terrorangriffen auf die USA vom 11. September 2001 formulierte er: "Heute sind wir alle Amerikaner." Als es um die Reaktion auf diesen barbarischen Akt und damit um den Afghanistan-Krieg ging, erklärte er: "Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt."

Hatte Gerhard Schröder, Niedersachse wie Struck, seinem Fraktionsmanager lange Zeit in skeptischer Geringschätzung gegenüber-gestanden und ihn mit dem zweifelhaften Etikett versehen, eher für "Mittelmäßigkeit" zu stehen, so erkannte der SPD-Bundeskanzler doch immer deutlicher, wie sehr er sich auf Struck verlassen konnte. Als Rudolf Scharping nach illustren Badespäßen als Verteidigungsminister nicht mehr tragbar war, ersetzte Schröder ihn durch den Fraktionschef, quasi als Allzweckwaffe.

Das ihm fremde Terrain des Militärischen eroberte Struck weniger vom theoretischen Überbau her, sondern mehr aus der Perspektive der einfachen Soldaten, für die er sich bei Truppenbesuchen immer besonders viel Zeit nahm. Er knüpfte damit an sein Vorbild, den sozialdemokratischen Verteidigungsminister Georg Leber an, wollte wie er als "Soldatenminister" angesehen werden.

Dass die anfangs extrem kritisch bewertete große Koalition letztlich mit überaus guten Noten in die jüngere Zeitgeschichte einging, ist auch Strucks Verdienst, der zusammen mit dem immer noch amtierenden Unionsfraktionschef Volker Kauder hinter den Kulissen die Zügel in der Hand hatte. Den beiden gelang es, nach einem polarisierenden Wahlkampf verlässliche Partner, ja sogar Freunde zu werden. Häufig gingen beide dabei bis an die Grenzen dessen, was sie der SPD auf der einen und der Union auf der anderen Seite zumuten konnten. Aber wenn sie sich etwas in die Hand versprochen hatten, setzten sie es im Interesse des inhaltlichen Vorankommens auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen durch.

Wenn Struck in seiner Fraktion einen mit Kauder ausgehandelten Kompromiss durchpauken musste, tat er dies in seiner betonten Gelassenheit. "Regt euch nicht auf. Ich reg' mich auch nicht auf." Das war so ein typischer Struck-Spruch, wenn es in der Fraktion hoch herging. Dank seiner Geradlinigkeit, seiner Aufrichtigkeit und seines authentischen Wesens hatte er die Parlamentarier meistens geschlossen hinter sich.

Aber Struck war eben nicht der Erfüllungsgehilfe der großen Koalition. Er nahm auch immer wieder die Rolle des Störenfrieds ein. Einmal provozierte er bei der Kanzlerin einen Wutausbruch. Zuvor hatte er per Interview kundgetan, dass ihm Schröder als Kanzler natürlich lieber wäre, der im Übrigen entscheidungsfreudig gewesen sei. Das saß.

Der Herzinfarkt, der Struck das Leben gekostet hat, kam ebenso überraschend wie ein Schlaganfall 2004. Monatelang hatte er mit den Folgen zu kämpfen, tat sich schwer, mit dem, was ihm am meisten lag, der klaren, scharfzüngigen Sprache. Doch er kämpfte. Und er gewann. Er nahm sich vor, das Rauchen aufzugeben. Das klappte jedoch nur eine kurze Zeit.

(may-, qua)
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