Berlin Emotionale Debatte über Embryo-Tests

Berlin · Die Befürworter und Gegner der Präimplantationsdiagnostik (PID) haben sich im Bundestag eine persönliche Debatte geliefert. Am Ende hatten die Befürworter mehr Stimmen auf ihrer Seite. Die Gegner fürchten, dass nun der Embryonenschutz in Deutschland insgesamt gefährdet ist.

Ilja Seifert, Abgeordneter der Linken und Rollstuhlfahrer, hat an diesem Tag auch Applaus aus den Reihen der Union bekommen. Unionsfraktionchef Volker Kauder und Bundeskanzlerin Angela Merkel sind in der Debatte um Präimplantationsdiagnostik (PID) im Bundestag genauso wie er für ein gänzliches Verbot der Embryonen-Tests eingetreten. "Es gibt kein Recht auf ein Kind, und erst recht kein Recht auf ein makelloses", sagte der Abgeordnete, der zugleich behindertpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. "Es gibt keine perfekten Menschen – niemand von uns ist das", betonte er. Doch die PID nähre Illusionen, es könne eines Tages ewige Gesundheit geben. "Krankheit und Behinderung gehören zu unserer menschlichen Existenz", pflichtete ihm die behindertenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Michaela Michalk, bei.

In der Debatte um die Frage, ob Embryonen im Zuge einer künstlichen Befruchtung auf genetische Defekte untersucht werden dürfen, verliefen die Positionen quer durch alle Parteien. Bei der Entscheidung über die PID war der Fraktionszwang aufgehoben. Die Abgeordneten konnten frei nach ihrem Gewissen entscheiden.

Der Auszählung der Stimmen ging eine emotionale Debatte voran, in der viele Abgeordnete sehr persönlich argumentierten. Zur Abstimmung standen drei Gesetzentwürfe. Wortführer für ein gänzliches Verbot der Embryonen-Tests waren beispielsweise Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), der rheinische Abgeordnete Günter Krings (CDU) und die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles (SPD). In der Debatte bekannte die 41-jährige Nahles, dass sie jahrelang einen unerfüllten Kinderwunsch gehegt habe, bevor sie im Winter Mutter wurde. Dennoch sei sie gegen die Gentests, betonte sie. "Es geht um etwas anderes. Es geht um den Respekt für das Leben von Anfang an." Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) stemmte sich mit aller argumentativen Kraft gegen die Möglichkeit, Embryonen aussortieren zu lassen: "Wir ermöglichten damit eine Qualitätsprüfung menschlichen Lebens."

Am Ende der Debatte fällt die Abstimmung überraschend klar aus. Eine Mehrheit von 326 Abgeordneten bei 594 gültigen Stimmen votieren für eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten Voraussetzungen. Die Befürworter argumentierten vielfach aus der Position der leidenden Eltern heraus. "Ein totes Kind ist eine Lebenskatastrophe, die niemals heilt", sagte die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche. Die Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Flach (FDP), Wortführerin der PID-Befürworter, zielte auch auf die Eltern: Männern und Frauen, die mit einem schwer kranken Kind, einer Tot- oder Fehlgeburt rechnen müssten, werde mit der PID die Entscheidung für ein Kind erleichtert, sagte sie. Flach hat bei ethischen Debatten im Bundestag wie bei der Spätabtreibung oder der Stammzellforschung stets liberale, forschungsfreundliche Positionen vertreten. Oft hat sie verloren. An diesem Tag kostet sie kurz in einer triumphierenden Geste den Sieg aus, als das Abstimmungsergebnis verkündet wird.

Für die Position einer begrenzten Zulassung der PID hatte auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gekämpft. Als Ärztin habe sie verzweifelte Mütter erlebt, die im siebten oder achten Schwangerschaftsmonat keine Kindsbewegungen mehr spürten und erneut eine Totgeburt befürchten mussten, sagte von der Leyen. "Ich habe geglaubt, vieles zu wissen, aber die Wucht des Schicksals rund um Schwangerschaft und Geburt haben mich sehr still werden lassen." Die siebenfache Mutter argumentierte, ein Totalverbot bevormunde die Menschen. "Wir gehen von einem mündigen Menschen aus."

Wenig Chancen hatte von Anfang an der Antrag, der sich als Kompromiss zwischen einem Verbot und einer begrenzten Zulassung verstand. Gentests an Embryonen sollten nur dann möglich sein, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass aufgrund genetischer Vorbelastung der Eltern das Kind während der Schwangerschaft oder gleich nach der Geburt stirbt. Der Verfechter dieses Antrags, René Röspel (SPD), argumentierte: "Wir wollen nicht, dass darüber entscheiden wird, ob ein Leben gelebt werden darf. Aber wir akzeptieren die Tatsache, dass im Embryo die Entscheidung bereits getroffen ist, dass er nicht leben kann."

Die Gegner der Embryonen-Tests haben angekündigt, dass sie die Entwicklung der PID-Fälle beobachten werden. "Wir werden uns die Zahlen und auch die Art der Fälle sehr genau anschauen müssen", sagte Unionsfraktionsvize Günter Krings unserer Zeitung. "Ich habe die große Sorge, dass wir nun auf eine abschüssige Ebene geraten sind. Ich fürchte, dass die Anwendungen der PID immer weiter zunehmen werden."

Enttäuscht von der Entscheidung zeigte sich auch die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner. "Ich befürchte, heute wurde ein Türspalt aufgemacht, der immer mehr aufgeht und nicht mehr zu schließen ist", sagte Klöckner. Sie betonte: "Auf Lebensschutz kann und darf es keinen Rabatt geben."

(RP)
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