Emanzen, entspannt euch!

Michael Bröcker, 41, ist Chefredakteur der Rheinischen Post und Vater von zwei Kindern.
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Als ich meiner Frau erzählte, dass ich über Feminismus schreiben darf, antwortete sie nur: „Na, das trifft ja den Richtigen!“

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Vorurteile von Frauen. Dabei müsste sie es besser wissen. Ich bin Feminist. Natürlich. Es ist kein geschützter Begriff. Und ich setze mich für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein. Ich lehne Diskriminierung ab. Ich lehne Sexismus ab, auch wenn er im Alltag als scheinbar harmloser Spruch getarnt daherkommt. Ebenso Schubladen und Rollenbilder. In meinem Mittvierziger-Freundeskreis wird Erziehungs- und Erwerbsarbeit geteilt.

Wer seine Macht oder Position ausnutzt, um Frauen zu erniedrigen, ist ein armes Würstchen. Zugegeben, in der WhatsApp-Gruppe meines Altherren-Fußballclubs werden auch sexistische Bildchen und Sprüche geteilt, es sind Rückzugsgefechte spätpubertierender Männer mit viel ­Testosteron und viel Bauch.

Frauen können vieles besser. Führen zum Beispiel. Sie agieren überlegter, zielführender, ihr Ego steht seltener im Weg, so erlebe ich es. Unser Ber­liner Büro, unsere NRW- und unsere Wirtschafts­redaktion werden von Frauen geführt. Mediationsverfahren mussten dort bisher nicht durchgeführt werden. Deutschen Führungsetagen würde mehr Weiblichkeit guttun. Wir sind auf dem Weg.

Nur noch letzte Rückzugsgefechte spätpubertierender Männer?

Es gibt eine Bundeskanzlerin, drei Parteichefinnen, eine Chefin des Weltwirtschaftsfonds, ein halbes Dutzend einflussreiche Verlegerinnen und ein Dutzend mächtige Fernsehchefinnen. Ich kenne starke Frauen, die Kliniken und Gerichte leiten, Schulen und Betriebe. Aber eben auch viele starke Frauen, die Führung ablehnen, das berufliche Vorwärtskommen nicht mit Beförderung gleichsetzen. Dass nur neun Prozent der Bürgermeisterposten mit Frauen besetzt sind, liegt an den fehlenden Bewerberinnen, klagt der Städtebund. Ich besetze auch Führungspositionen in Teilzeit, trotzdem dominieren bei mir Bewerbungsschreiben von Männern. Es ist also nicht ganz einfach.

Was Frauen nicht können, ist Gelassenheit. Das haben die letzten Monate gezeigt, als der öffentlich artikulierte Feminismus mitunter oberflächlich und aufgeregt daherkam. Parität immer und überall, forderte die Kanzlerin und die weibliche Republik jubelte. Wer im CDU-Wettstreit um die Merkel-Nachfolge für einen Mann warb, wurde sogleich als penisgelenktes Fossil aus früheren Zeiten diffamiert. Männerbündnisse! Der Vergleich zu Donald Trump, dem Altherrenwitz im Präsidialamt, gab den Gnadenschuss.

Wer anmerkte, dass Parität dann auch in dem Baugewerbe und in den Medizinischen Fakultäten, in den Pflegeeinrichtungen und Schulen (wir brauchen dringend Erzieher und Lehrer) gelten müsste, bekam den Shitstorm des modernen Netz-Feminismus zu spüren. Politiker, die das Renteneintritts­alter überschritten haben, werden als „störrische, alte, weiße Männer“ diffamiert. Altersrassismus.

Mit meinen Kumpels geht es um Elternzeit und Papa-Kind-Urlaube

Mein Appell an diese Emanzen: Entspannt euch! Es läuft doch. Frauen werden gesucht, gebraucht, gefördert. Männerbündnisse sind meist nur noch Folklore. In Düsseldorf musste sich der Männer-Heimatverein „Jonges“ neulich eine Standpauke der Gleichstellungsbeauftragten anhören, während die Konferenzräume der Luxushotels von Frauen-Business-Netzwerken und Frauen-Salons gebucht sind.

Wenn ich mit meinen männlichen Kumpels zum Doppelkopf-Spiel zusammenkomme, geht es um Elternzeit, Sabbatical und Papa-Kind-Urlaube. Und um 22 Uhr ist meist Schluss. Am nächsten Morgen müssen die Kinder in die Kita oder Schule gebracht werden. 

Wir sollten uns auf die großen Herausforderungen konzentrieren. Der Kampf gegen die häusliche und sexualisierte Gewalt. Ein unerträgliches Relikt düsterer Zeiten. Wir brauchen gesellschaftlichen und politischen Druck auf Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben. Mehr Hilfen für Opfer, mehr Frauenhäuser, mehr Schutz. Auch die patriarchalische Sozialisierung mancher Zuwanderer ist ein drängendes Problem.

Gleichberechtigung ist eine Graswurzelkampagne. Ich mache gerne mit.

Michael Bröcker

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Die echten Männer kommen!

Der Guru der neuen Männerrechtler: Jordan Peterson. - Carlos Osorio/Getty Images
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Es ist erst wenige Jahre her, da konnten einem die Männer beinahe leidtun. Durch alle Talkshows wurden sie geschleift und auf allen Magazincovern abgebildet: Die männlichen Schulversager. Die männlichen Globalisierungsverlierer. Die kranken, arbeitslosen Abgehängten. Männer, das schwache Geschlecht.

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Die Mitleidsbezeugungen erfolgten jedoch zu früh. Das Patriarchat hat sich noch einmal aufgerappelt von seiner Siechenbettstatt und ist wild entschlossen, allen zu zeigen, wie kräftig es noch ist. Während die fortschrittlich-aufgeklärte Hälfte der westlichen Welt noch über MeToo, Frauenquoten und Transgendertoiletten diskutiert, haben sich viele Männer längst ausgeklinkt. Sie haben keine Lust mehr, achtsam zu sein.

Lieber sind sie zornig. Sie spüren, wie ihnen dabei das Blut in den Adern pocht, und finden das geil. In Internetforen stellen sie fest, dass sie inzwischen ziemlich viele sind. Der Hass auf dieselben Feindbilder (Politikerinnen, Feministinnen, hässliche Frauen, schöne Frauen) schweißt sie zusammen. Sie scharen sich um Gurus. Und hey – sie haben sogar einen der ihren zum amerikanischen Präsidenten gemacht.

Der intellektuelle Mastermind dieser neuen Männerbewegung heißt Jordan B. Peterson, Psychologie-Professor an der Universität Toronto. Er ist ein gutaussehender Mittfünfziger, graue Locken, buschige Augenbrauen, selbstsicherer Blick, Tweedsakko. Peterson kann reden. Seine Argumente wirft er wie spitze Dartpfeile, auf jeden Treffer ist er stolz.

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