Berlin Eklat in Ankara - Bundeswehr vor Abzug aus Incirlik

Berlin · Die 260 am türkischen Standort stationierten Soldaten sollen jetzt nach Jordanien umziehen.

Das deutsch-türkische Verhältnis erlebt einen neuen Tiefpunkt: Der letzte Verhandlungsversuch von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) für ein Besuchsrecht der Parlamentarier am Truppen-Standort Incirlik ist gescheitert. Als Konsequenz sollen nun die 260 dort im Kampf gegen die Terrormiliz IS stationierten Soldaten und ihr Gerät nach Jordanien verlegt werden.

"Mein türkischer Kollege hat mir erklärt, dass in der aktuellen Situation für die Türkei nicht die Möglichkeit besteht, Besuche jedes deutschen Parlamentariers in Incirlik zu ermöglichen", sagte Gabriel nach dem Gespräch mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Im Gegenzug kündigte er an, dass Deutschland "aus innenpolitischen Gründen" die Soldaten aus Incirlik verlegen müsse.

Die gescheiterte Verständigung zwischen Berlin und Ankara über das Besuchsrecht deutscher Abgeordneter ist keine Überraschung. Seit etwa 15 Monaten löst im deutsch-türkischen Verhältnis eine diplomatische Krise die nächste ab. Von der Affäre um das Schmähgedicht des TV-Satirikers Jan Böhmermann bis zur Auseinandersetzung um den Umgang mit dem gescheiterten Militär-Putsch in der Türkei ist das Verhältnis von gegenseitigen Vorwürfen und gegensätzlichen Auffassungen gekennzeichnet.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) dringt auf eine schnelle Entscheidung für den Abzug. "Die Bundeswehr muss aus Incirlik abziehen", sagte Kauder unserer Redaktion. Dies sei umso bedauerlicher, weil die Einheit durch ihre Aufklärungsflüge den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus unterstütze, der Woche für Woche überall auf der Welt und insbesondere auch in Europa stets neue Todesopfer fordere. "Alle friedliebenden Staaten sollten diesen Kampf unterstützen. Die Beweggründe der Türkei, das Besuchsrecht zu verweigern, sind angesichts dieser Herausforderung überhaupt nicht nachvollziehbar", sagte Kauder. Die Bundeswehr sei vorbereitet. "Die Abzugsentscheidung sollte daher schnell getroffen werden." Ob die Entscheidung zur Verlegung vom Bundestag selbst getroffen werden müsse oder innerhalb des bestehenden Mandats möglich sei, sollten die Bundestagsfraktionen bis zur nächsten Sitzungswoche klären. "In jedem Fall wäre auch eine Änderung des Mandats rasch möglich."

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sprach sich für einen "unverzüglichen Abzug" deutscher Soldaten aus. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte an, das weitere Vorgehen werde morgen im Kabinett besprochen werden.

Gabriel war bei seinem Besuch in Ankara um Schadensbegrenzung bemüht. Er versicherte, keine der beiden Seiten wolle, dass sich die Beziehungen durch den Abzug weiter verschlechterten.

(qua)
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