Einer gegen 1027

Gilad Schalit ist frei, und das ist eine gute Nachricht. Wer die ersten Bilder des bleichen und ausgezehrten jungen Mannes gesehen hat, der fünf Jahre lang isoliert als Geisel gefangen gehalten wurde, kann sich ausmalen, wie groß die Erleichterung in Israel sein muss. Trotzdem ist dem Land die Entscheidung nicht leicht gefallen, dem Abkommen mit der Hamas zuzustimmen. In den Bussen, die da gestern die israelischen Gefängnisse verließen, saßen Männer, an deren Händen israelisches Blut klebt. Viele von ihnen, das zeigt leider die Erfahrung, dürften über kurz oder lang neue Terrorakte gegen Israel verüben. Bedenklich ist auch, dass der Deal mit der Hamas den gemäßigten Palästinenserpräsidenten Abbas schwächt – aus heutiger Sicht der einzige Politiker, mit dem Israel möglicherweise zu einem Kompromiss im Nahost-Konflikt kommen kann.

Alle diese Einwände sind in ihrer realpolitischen Kälte stimmig, und trotzdem greifen sie zu kurz. Denn es ging bei dem Austausch – einer gegen 1027 – auch um die Selbstachtung der israelischen Gesellschaft. Indem sie den Wert eines der Ihren gegen die menschenverachtende Logik der Terror-Drahtzieher stellt, die Selbstmordattentäter zu Dutzenden in den Tod schicken, erringt sie einen moralischen Sieg.

(RP)
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