Kolumne Berliner Republik Ein Sanitäter für den Wahlkampf

Die Debatte darum, was im Wahlkampf erlaubt und was verboten sein soll, ist so alt wie die Demokratie selbst. Die Hamburger diskutieren das Thema jetzt erneut - an einem kuriosen Beispiel.

Politiker ist der Beruf, dem die Deutschen am wenigsten vertrauen. Das weist zumindest eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung aus, bei der 32 Berufe und die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit der Ausübenden in Frage standen. Nur 15,1 Prozent der Befragten fanden Politiker vertrauenswürdig. Das entspricht dem letzten Platz. Ganz oben auf der Liste: wirklich nützliche Berufe wie Feuerwehrleute, Sanitäter, Krankenschwester/-pfleger.

An dieser Stelle fragen Sie bestimmt: Wie sieht es denn mit Journalisten aus? Die sollen ja auch kein so gutes Image haben. Richtig! Die Journalisten sind bei dieser Umfrage nur auf Platz 29 gelandet. Ihnen vertrauen auch nur 37 Prozent der Bevölkerung.

Aber wir Journalisten stehen zumindest zu unserem Beruf. Ganz anders Hauke Wagner, ein junger Sozialdemokrat, der Mitte Februar in die Hamburger Bürgerschaft gewählt werden will. Für die Hamburger stehen auf dem Wahlzettel Name, Geburtsdatum und Beruf ihrer Kandidaten. Das Wahlrecht an der Alster hat ein paar Besonderheiten: Wenn die Hamburger einen bestimmten Kandidaten unbedingt in ihrer Bürgerschaft sitzen haben wollen, können sie ihn mit mehreren Stimmen bedenken.

Nun ist Hauke Wagner Volkswirt und Industriekaufmann und arbeitet derzeit als Außenwerbungs-Vermarkter. Sicherlich kein Beruf, der einen vertrauensmäßig vom Hocker haut, aber er klingt doch solide. Der Hamburger Sozialdemokrat entschied sich aber, einen 48-stündigen Sanitätskurs, inklusive Prüfung, für rund 800 Euro zu absolvieren, um für die Wahl "Sanitäter" als Beruf angeben zu können. Vor Augen hatte er die eben zitierte Liste, wie er der Hamburger Lokalpresse beichtete: "Als ich wusste, dass ich kandidieren werde, habe ich mich informiert, welche Berufe das höchste Ansehen genießen", erklärte Wagner. "Und nach Feuerwehrmann ist Sanitäter auf Platz zwei."

Mit solchen Aktionen wird es den Politikern wohl kaum gelingen, sich in der Bestenliste der Berufe nach oben zu arbeiten. Zumal Wagner alles andere als ein politisches Greenhorn ist: Er war in Hamburg schon Juso-Chef, sein Vater einst Bausenator in der Stadt.

Nun sind es die Bürger ja gewohnt, dass in Wahlkampfzeiten Politiker mit Photoshop-Effekten jünger und schöner gemacht werden, während eine Heerschar von Beratern ihr Image poliert. Auch das Schönreden und Gesundbeten von Fakten ist man gewohnt - man weiß, dass sich diese Art von Wahlkampf nicht vermeiden lässt. Die Idee mit dem Berufswechsel ist neu. Hoffentlich findet das Beispiel "Sanitäter für den Wahlkampf" keine Nachahmer.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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