Paris Ein linker Linker

Paris · Benoît Hamon geht überraschend für die Sozialisten in die französische Präsidentschaftswahl. Sein Programm ist selbst in der eigenen Partei vielen zu radikal. Hamons Triumph könnte daher einem Konkurrenten nützen.

"Die Wahl, bei der alles passieren kann", titelte die Zeitung "Le Figaro" gestern. Nach den Vorwahlen der Sozialisten stehen nun die Kandidaten für die erste Runde der Präsidentschaftswahl im April fest. Doch wer nach der zweiten Runde im Mai in den Elysée-Palast einziehen wird, darüber wollen auch die Meinungsforscher keine Voraussagen mehr treffen.

Zu sehr wurde das politische Tableau in den vergangenen Wochen durcheinandergewirbelt. Nach dem überraschenden Ausscheiden von Alain Juppé und Nicolas Sarkozy bei den Vorwahlen der Konservativen verzichtete François Hollande bei den Sozialisten auf eine Kandidatur. Statt des danach als Favoriten gehandelten Regierungschefs Manuel Valls hob die Regierungspartei am Sonntag den linken Außenseiter Benoît Hamon auf den Schild.

So wie François Fillon bei den Konservativen hatte Hamon bei den Sozialisten die "Primaires" mit einem Programm gewonnen, das klare Kante zeigte. "Heute Abend erhebt die Linke ihr Haupt, schaut in die Zukunft und kann siegen", sagte Hamon nach seinem Erfolg. Es war seine Art, mit der Präsidentschaft von Hollande abzurechnen, dem er vorwarf, die Ideale der Linken für eine unternehmerfreundliche Politik verraten zu haben. Doch der Satz war auch eine Ohrfeige für alle, die für jenen Regierungskurs gestimmt hatten, den Valls verkörperte.

Die beiden Konkurrenten gaben sich nach Bekanntgabe des Ergebnisses einen kühlen Handschlag, doch zur Unterstützung Hamons raffte der frühere Regierungschef sich nicht auf. "Ich kann sein Programm nicht verteidigen", hatte Valls bereits nach dem Fernsehduell gesagt, in dem er seinem Rivalen vorgeworfen hatte, unrealisierbaren Träumen nachzuhängen. Das galt insbesondere für die Forderung des früheren Bildungsministers nach einem Grundeinkommen von 750 Euro für alle - sein Prestige-Projekt. Kosten soll es zwischen 300 und 400 Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht ungefähr einem kompletten französischen Staatshaushalt.

Hamons radikales Programm wird auch in den eigenen Reihen als utopisch bezeichnet. Auch für die Brüsseler Defizit-Regel für Staatshaushalte hat er nichts übrig. Das dürfte zu Debatten mit dem wichtigen Partner Deutschland führen.

Mit seinem stramm linken Programm gewann Hamon die Vorwahlen zwar mit 59 Prozent der Stimmen, für die Präsidentschaftswahl aber liegt er in den Umfragen wohl aussichtslos hinten. Immerhin überholt er laut einer gestern veröffentlichten Umfrage den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der mit einem ähnlichen Programm antritt, aber nicht zugunsten des Sozialisten verzichten will.

Deutlich erfolgreicher als die anderen beiden Kandidaten des linken Spektrums ist der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der mit einem sozialliberalen Kurs Wähler der Mitte anziehen will. Er ist inzwischen praktisch gleichauf mit dem lange favorisierten Fillon und könnte durch enttäuschte Wähler des sozialistischen Reformflügels um Valls weiteren Zulauf bekommen. "Man kann von einem Abstand sprechen, der nur noch hauchdünn ist", sagte Emmanuel Rivière vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public: "Wegen der Affäre um die Scheinbeschäftigung ist Fillons Qualifikation für die Stichwahl nicht mehr sicher."

Die Finanzstaatsanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen den Ex-Regierungschef begonnen, der seine Frau als Parlamentsassistentin beschäftigt hatte und sie so rund 500.000 Euro verdienen ließ. Die Justiz muss nun klären, ob Pénélope Fillon tatsächlich einen Vollzeitjob im Parlament hatte. Fillon, der stets als Saubermann galt, hat für den Fall eines formellen Ermittlungsverfahrens schon den Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur angekündigt. Seine Popularität ist mit "Penelopegate" bereits eingebrochen: 61 Prozent der Franzosen haben seither eine schlechte Meinung von ihm. Am Sonntag versuchte der 62-Jährige mit einer Großkundgebung in Paris, den Blick wieder auf den Wahlkampf zu lenken.

In seiner Rede griff Fillon vor allem Macron an, der ähnlich wie er mit einem wirtschaftsliberalen Programm wirbt. "Macron ist der Prototyp der Eliten, die die Realität unseres Landes nicht kennen", sagte der Kandidat über den 39-jährigen Ex-Banker, der sich als "weder rechts noch links" versteht. Macron füllt auch in der tiefsten Provinz die Hallen und löst Begeisterung aus.

Als einziger der Kandidaten macht der frühere Wirtschaftsminister offen Wahlkampf mit Europa und bekennt sich zur Globalisierung. Ein Programm, das klar gegen den rechtsextremen Front National (FN) gerichtet ist. FN-Chefin Marine Le Pen führt mit rund 25 Prozent die Umfragen für die erste Runde der Wahl an. Aber der Wahlkampf hat gerade erst begonnen.

(RP/dpa)
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