Moskau Ein Jahr Putin – ein Jahr Repression

Moskau · Seit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt geht der Kreml-Chef immer härter gegen die Opposition vor.

 Mit überdimensionalen Porträts von Inhaftierten demonstrieren Putin-Gegner für die Freilassung "politischer Gefangener".

Mit überdimensionalen Porträts von Inhaftierten demonstrieren Putin-Gegner für die Freilassung "politischer Gefangener".

Foto: AP

Seit einem Jahr ist Wladimir Putin wieder russischer Präsident. In den vergangenen zwölf Monaten hat er die Opposition massiv unter Druck gesetzt, die bürgerlichen Freiheiten immer mehr eingeschränkt. Doch Lösungen für die drängenden Probleme Russlands sind nicht in Sicht.

Zum Jahrestag von Putins Amtseinführung hatten sich seine Gegner zu einer Demonstration auf dem Moskauer Bolotnaja-Platz verabredet. Nachdem beim Aufbau der Bühne für die Kundgebung ein junger Arbeiter ums Leben gekommen war, begann der Streit unter den Oppositionellen: Soll die Demo nun stattfinden oder nicht? Letztendlich versammelten sich rund zehntausend – deutlich weniger als vor einem Jahr – auf dem Bolotnaja-Platz zu einer Solidaritäts- und Gedenkveranstaltung für die 28 jungen Menschen, die nach einer Kundgebung am 6. Mai 2012 verhaftet worden waren und immer noch auf ihren Prozess warten.

Damals war die Protestwelle gegen Putin in vollem Gange. Zehntausende marschierten durch Moskau. Am Ende kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Jetzt sollen sich die Angeklagten im "Bolotnaja-Prozess" wegen Anstiftung zu Massenunruhen verantworten. Ihnen drohen harte Strafen.

Zu den Rednern auf der Solidaritätsdemonstration gehörte auch der charismatische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny. "Ich kämpfe für eine neue Zukunft für meine Familie, für meine Kinder", rief er bei der Kundgebung.

Die Kremlpartei "Geeintes Russland" hat Nawalny einmal als "Partei der Diebe und Gauner" bezeichnet – ein Etikett, das Putins wichtigste Unterstützerformation seitdem nicht mehr loswird. Mit seiner Ankündigung, bei der nächsten Präsidentenwahl 2018 als Oppositionskandidat anzutreten, hat der 36-Jährige endgültig die Kremlspitze gegen sich aufgebracht. Mit einem Prozess, in dem ihm vorgeworfen wird, einen Staatsbetrieb um 400 000 Euro gebracht zu haben, soll er mundtot gemacht werden. Bislang erfolglos.

Die Zivilgesellschaft sei reifer geworden und schlucke nicht mehr alles, sagte Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow auf derselben Kundgebung. Unter Putin entwickle sich das Land nicht mehr, sondern trete auf der Stelle. Mittlerweile glauben 44 Prozent aller Russen, dass es in ihrem Land politische Häftlinge gibt. Doch die Mehrheit der Bevölkerung hält still und schweigt.

Die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten auf dem Bolotnaja-Platz vor einem Jahr "markierten die repressive Wende in der Politik der russischen Obrigkeit", analysiert heute die Zeitung "Wedomosti"; seitdem habe der Kreml "die politische Landschaft erfolgreich verengt": Solange die Übergabe des höchsten Staatsamtes von Dmitri Medwedew auf Putin nicht geregelt war, hatte man die Opposition zwar als politische Kraft ignoriert, aber immerhin gewähren lassen. Das änderte sich mit Putins Amtseinführung am 7. Mai 2012. Sofort zog er die Schrauben mächtig an.

Für weltweites Aufsehen sorgte der Prozess gegen die Frauen-Punkband Pussy Riot. Der Machtapparat ließ an den Musikerinnen ein Exempel statuieren. Weil sie in einem 40 Sekunden langen Auftritt in der Moskauer Erlöserkirche "Muttergottes, vertreibe Putin" gesungen hatten, wurden die drei jungen Frauen zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Nur einer Musikerin gelang es, im Revisionsverfahren auf freien Fuß zu kommen.

Wie von Verfolgungswahn besessen paukten die Abgeordneten der gleichgeschalteten Duma ein repressives Gesetz nach dem anderen durch. Bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz drohen nun Geldstrafen bis zu 7000 Euro.

Russische Nicht-Regierungsorganisationen, die finanzielle Hilfe aus dem Ausland erhalten, müssen sich als "ausländische Agenten" registrieren. Erst vor wenigen Wochen durchsuchten Ermittler der Staatsanwaltschaft die Büros vieler Initiativen, darunter auch die Niederlassungen deutscher Parteistiftungen. Das alles entspricht der von Putin aufgestellten These, der angeblich in Russland geplante Umsturz werde vom westlichen Ausland finanziert. Schon längst ist das kremlgesteuerte Staatsfernsehen dazu übergegangen, Andersdenkende als "Vaterlandsverräter" zu diffamieren.

Doch unter der Oberfläche gärt es weiter. Denn Putin bekommt die großen Probleme seines Landes nicht in den Griff. An die von seinem Vorgänger Medwedew propagierte Modernisierung Russlands glaubt kaum noch jemand.

In den vergangenen Monaten reihte sich ein Skandal um Korruption und Amtsmissbrauch an den anderen. Die Inflation beträgt sieben Prozent, bei Lebensmitteln ist die Teuerungsrate noch höher, was vor allem die Landbevölkerung mit ihren niedrigen Einkommen in große Bedrängnis bringt. Und mittlerweile wünschen sich nur noch 22 Prozent der Russen, dass Wladimir Putin nach dem Ablauf seiner Amtszeit 2018 ein weiteres Mal für den Posten des Präsidenten kandidiert.

(RP)
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