Straßburg Ein Italiener wird Nachfolger von Martin Schulz

Straßburg · Die Wahl von Antonio Tajani zum neuen EU-Parlamentspräsidenten markiert zugleich den Beginn einer neuen Allianz.

Um die Nachfolge des Deutschen Martin Schulz an der Spitze des Europaparlaments zu regel, wurde gestern ein Abstimmungsmarathon nötig. Erst im vierten Durchgang konnte sich der italienische Konservative Antonio Tajani (63) als neuer Parlamentspräsident durchsetzen. Der Kandidat der Europäischen Volkspartei warf den Sozialisten Gianni Pittella in der Stichwahl aus dem Rennen. Tajani erhielt 351 Stimmen, Pittella 282.

Damit zeichnet sich im Europaparlament zugleich eine neue politische Allianz ab: Nachdem es zwischen Sozialisten und Christdemokraten zum Krach über die Besetzung des Spitzenpostens gekommen war und ihre informelle große Koalition als gescheitert gelten musste, schließen nun Christdemokraten und Liberale einen Pakt.

Auf den letzten Drücker war es der christdemokratischen Fraktion (EVP) gelungen, einen Deal mit der liberalen Alde-Fraktion zu schließen. Die EVP, mit 217 Abgeordneten stärkste Fraktion im 751 Sitze umfassenden Haus, einigte sich mit den Liberalen (68 Sitze), bei der Präsidentenwahl gemeinsame Sache zu machen. Der Fraktionschef der Liberalen, der 63-jährige Belgier Guy Verhofstadt, zog daraufhin seine eigene Kandidatur zurück. Damit waren die Chancen des EVP-Kandidaten Antonio Tajani, die Schulz-Nachfolge anzutreten, kräftig gestiegen. Und die Sozialisten, die 189 Sitze haben und mit ihrem Fraktionschef Gianni Pitella ins Rennen gingen, schäumten. Sie ahnten, dass sie im Laufe der weiteren Wahlgänge das Nachsehen haben würden.

Der Entscheidung für Tajani war ein beispielloser Machtpoker zwischen Sozialisten und Christdemokraten vorausgegangen. Die EVP pochte auf eine Vereinbarung mit den Sozialisten von 2014, wonach sie zur Hälfte der Wahlperiode den Chefposten von Schulz übernehmen sollte. Die Sozialisten fühlten sich aber an diese Vereinbarung nicht mehr gebunden, weil an der Spitze von EU-Kommission und -Rat mit Jean-Claude Juncker und Donald Tusk bereits zwei Politiker aus der christdemokratischen Parteienfamilie stehen.

Der Jurist Tajani ist umstritten, weil er ein langjähriger Gefolgsmann von Silvio Berlusconi ist. Er ist seit 1994 im Europaparlament und wurde 2008 EU-Kommissar für Verkehr und später für Industrie. Ihm wird auch angekreidet, dass er als EU-Kommissar angeblich Hinweise auf den VW-Skandal hatte, ihnen aber nicht nachgegangen ist.

Der Deal mit den Liberalen ist ein Erfolg für den Fraktionschef der EVP, den CSU-Politiker Manfred Weber. Ein Scheitern von Tajani hätte eine Niederlage für Weber selbst bedeutet, war die Regelung der Schulz-Nachfolge doch seine erste große Personalentscheidung. Aber Weber braucht jetzt noch weitere Verbündete. "Wir sind offen für andere", sagte der CSU-Mann. Denn die beiden Fraktionen bringen noch nicht die Stimmen für eine absolute Mehrheit zustande.

(RP)
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