Gott Und Die Welt Ein guter Wechsel – das Kirchenjahr beginnt

Neujahr wird auf unserem Erdball an sehr unterschiedlichen Tagen gefeiert. Heute jedenfalls beginnt das Jahr, das unsere Erinnerung an christliche Botschaften wachhält.

Der überraschende Ausruf jetzt am Frühstückstisch: Prosit Neujahr. Einfach so. Eine frohe Botschaft über den fettreduzierten Schnittkäse und die Magermilch hinweg. Und der forschende Blick verriet, dass dieser Wunsch mit Sinn und Verstand – wie es so schön heißt – vorgetragen war. Danach konnte dann erst einmal keine Rede mehr von einer der üblichen Frühstücksreden sein. Vielmehr bemächtigte sich dieser noch frühen Morgenstunde eine bedenkenswerte Besinnung. Allzu lange dauerte es nicht, bis ich hinter das Motiv des überraschenden Ansinnens kam: Der frohgemute Gruß galt dem neuen Kirchenjahr, das mit der ersten Vesper des ersten Advents beginnt.

Aber was soll diese Konkurrenz zum "richtigen" Jahreswechsel, der mit Papst Silvester immerhin auch einen hohen Kirchenmann an seiner Spitze hat? Aber es ist ja nicht nur das neue Kirchenjahr, das unsere chronologischen Gewohnheiten hinterfragt. Warum bloß feiern die Afghanen das neue Jahr an unserem schönen Frühlingsanfang, die Thailänder Mitte April und die Kopten am 11. September?

Selbst bei den Kirchenjahren geht es schon durcheinander, wenn etwa die Orthodoxen viel zu früh – also bereits am 14. September – sinnbildlich ihre Korken munter knallen lassen. Überhaupt: Welches Jahr feiern wir denn, angesichts der gleichfalls heiklen Tatsache, dass wir Christenmenschen uns zwar alle im Jahre 2012 wähnen? Die Juden sind viel weiter und haben auf ihrem Taschenkalender das Jahr 5773 stehen; die Moslems indes hinken zurück und sind (nach unserem Epochenverständnis) erst im späten Mittelalter angekommen – nämlich bei 1433.

Verrückte Welt! Und noch verrückter wird sie bei dem Gedanken, dass möglicherweise jeder unerschrockene Zeitrechner auf seine Weise recht hat. Vielleicht kommt es darum auch gar nicht so genau auf Jahr und Tag an. Vielleicht ist der tiefere Sinn unserer jahrelangen Zählerei ein anderer: nämlich uns feinfühlig zu halten für das Werden und Vergehen, für unsere Verantwortung für das, was war, und das, was kommenden Generationen bevorsteht. Unsere akribische Jahres-Buchhaltung ist wenig anderes als eine riesige Festplatte der Menschheit; sie ist unser Gedächtnis, mit dem all das bewahrt wird, was nicht verloren gehen darf.

Und ganz besonders im Kirchenjahr, das auf keine Jubiläen schielt, sondern Jahr für Jahr immer nur das Gleiche im Blick hat: die Folge unserer Kirchenfeste, die gewissermaßen Unterdateien auf dieser Festplatte sind, Erinnerungen und Vergewisserungen einzelner biblischer Begebenheiten.

So beginnen wir beim neuen Kirchenjahr ganz von vorn – mit dem Advent, der Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft Christi.

Also Prosit Neujahr, es möge gelingen!

(RP)
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