London Labour steckt in einer tiefen Krise

London · Ed Miliband muss sich Sorgen um seinen Job machen. Der britische Labour-Chef wehrt sich gegen Rücktrittsrufe aus den eigenen Reihen. Ein halbes Jahr vor den Parlamentswahlen im Mai nächsten Jahres forderten Hinterbänkler der Oppositionspartei unlängst einen Wechsel in der Führung. "Alles Nonsense", schnaubte Ed Miliband. "Ich glaube, dass die Partei sich lieber auf die Dinge konzentriert, die das Land angehen." Doch es ist nicht von der Hand zu weisen: Die Partei ist unzufrieden mit ihrem Führer. Und beim Rest der Bevölkerung sieht es schlimmer aus: Ed Miliband ist zur Zeit der unbeliebteste aller Parteichefs, nur 18 Prozent der Briten sind mit ihm zufrieden.

Labour steckt in der Krise. Hatte die Partei noch vor einem Jahr mit über 40 Prozent die Meinungsumfragen angeführt, so liegt man mittlerweile gleichauf mit den Konservativen bei knapp 30 Prozent. In Schottland deutet sich eine katastrophale Entwicklung für die Arbeiterpartei an, die sich beim Referendum im September gegen die Unabhängigkeit aussprach. Seitdem hat die "Scottish National Party" einen Riesensatz in der Publikumsgunst gemacht. Labour riskiert, in der ehemaligen Hochburg Schottland so viele Sitze zu verlieren, dass es für eine Mehrheit im Unterhaus nicht mehr reichen würde.

Zur Zeit haben alle traditionellen Parteien in Großbritannien große Schwierigkeiten. Den Konservativen sitzen die Europafeinde von der rechtspopulistischen "United Kingdom Independence Party" im Nacken, die ihnen einen Unterhaussitz nach dem anderen abjagen. Die Liberaldemokraten, der Juniorpartner in der Regierungskoalition, haben seit Amtsantritt massiv an politischem Profil verloren, sackten in den Meinungsumfragen von ehemals über 20 auf mittlerweile rund acht Prozent ab und müssen sich am linken Rand jetzt sogar gegen die Grünen wehren.

Doch für Labour stellt sich das Problem, dass nicht politische Inhalte die Ursache für die schwindende Popularität wären, sondern eine Personalie: Ed Miliband. Der Mann sieht partout einfach nicht wie ein künftiger Premierminister aus, sagen die Meinungsforscher. Das mag an Äußerlichkeiten liegen: an der näselnd-hohen Stimme, am intellektuellen Anstrich, am jugendlichen, um nicht zu sagen: unreifen Aussehen. Jedenfalls steht fest, dass es Miliband schwer hat, beim Mann auf der Straße anzukommen.

Die jüngste Palastrevolution dürfte Miliband überstehen, schon weil es keinen echten Herausforderer gibt. Das Gegrummel an der Basis aber wird bleiben. Die Partei geht in den kommenden Wahlkampf mit einer Minimalstrategie: "30 plus" bedeutet, dass man sich auf die Kernwählerschaft konzentrieren will und hofft, genug Unterhaussitze verteidigen zu können, um stärker als die Konservativen zu sein. Dann will man eine Regierungskoalition mit den Liberalen bilden. Eine absolute Mehrheit - aufgrund des Mehrheitswahlrechts einst der übliche Wahlausgang - dürfte es weder für links noch für rechts geben.

(RP)
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