Berlin Durchbruch in der vierten Runde

Berlin · Vor der schwarz-gelben Koalition hatte sich gestern ein Berg an Problemen aufgetürmt. Noch wenige Stunden vor dem abendlichen Treffen mauerten die Partner vor allem beim Thema Steuersenkung. Die Lösung gelang erst nach sieben Stunden.

Das erste Bild vom Koalitionsgipfel, der für die schwarz-gelbe Koalition die Stimmung wenden sollte, hatte einen bedenklichen Symbolcharakter: Eine einsame Kanzlerin strebte gestern Mittag mit gesenktem Kopf dem Treffen mit den anderen Parteichefs zu. In der rechten Hand das Mobiltelefon, in der linken eine braun-rote Handtasche – groß genug, um eine Menge Probleme mit in die Regierungszentrale zu schleppen.

Tatsächlich tat sich die Runde zunächst extrem schwer, obwohl doch CDU und CSU und FDP angetreten waren, gemeinsam für die unteren und mittleren Einkommen die Steuerlast zu mindern – wenigstens um jenen Teil, der dem Staat durch die "kalte Progression" zusätzlich zuwächst. Die Gespräche beim Mittagessen zwischen CDU-Chefin Angela Merkel, FDP-Chef Philipp Rösler und CSU-Chef Horst Seehofer blieben ohne Ergebnis. Auch die hinzugebetenen Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU), Rainer Brüderle (FDP) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt brachten die Gespräche einer Lösung nicht viel näher. Und als dann gegen 17 Uhr zur dritten Runde auch Generalsekretäre, Parlamentarische Geschäftsführer und beteiligte Bundesminister dazustießen, gingen alle noch von einer "langen Nacht" aus.

Denn die Koalitionäre hatten die zwei Wochen seit dem ergebnislos abgebrochenen ersten Einigungsversuch genutzt, die Preise in die Höhe zu treiben. Noch wenige Stunden vor dem Beginn des Treffens legte sich die FDP fest, dass für das Betreuungsgeld, dem Herzensanliegen der CSU, definitiv kein Geld da sei. Im Gegenzug warnten Unionspolitiker davor, dass eine Steuersenkung mit Sicherheit nicht bezahlbar sei. Und die Ost-Ministerpräsidenten der CDU schickten hinterher, dass auch der Solidaritätszuschlag nicht angetastet werden dürfe.

Auch die Opposition malte kräftig an der Drohkulisse. SPD-Chef Sigmar Gabriel spielte sogar mit dem Gedanken an einen Gang nach Karlsruhe, sollte sich die Koalition auf Steuersenkungen verständigen. Schließlich schreibe die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse vor, dass zusätzliche Steuereinnahmen zuerst zum Schuldenabbau verwandt werden müssten.

Sonntag Morgen war aus Teilnehmerkreisen noch zu hören, dass eine Einigung sehr kompliziert werde. Doch als sich dem Vernehmen nach die drei Parteichefs am Abend ein weiteres Mal zusammen setzten, standen die Linien in Runde vier dann doch sehr schnell. Als der Steuerkompromiss geschafft war, ergaben sich die anderen Themen von Straßenbau über Pflegekonzept bis zum Betreuungsgeld ohne längeres Tauziehen. Eilig lud das Kanzleramt zur Presseunterrichtung noch vor der "Tagesschau".

Einträchtig konnten die drei Parteichefs ihre Verständigung erläutern – verbunden mit der Erwartung, dass der gefundene Weg auch für die Bundesländer gangbar sei. Denn sie verbanden die Steuersenkung nicht nur mit dem Abbau der "kalten Progression", sondern sie stellten Gabriels Drohung mit der Klage in Karlsruhe eine Mahnung mit Blick auf die Verfassung entgegen: Die Anhebung des steuerfreien Grundfreibetrages geschehe mit Blick auf die Preisentwicklung, deshalb müssten die Länder den Anstieg des steuerfreien Existenzminimums mittragen. Teile des Kompromisses sollen erst nach der Bundestagswahl 2013 in Kraft treten.

Internet Reaktionen auf den Gipfel unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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