Paul Spiegel: Normalität braucht Zeit Düsseldorfer neuer Präsident des Zentralrats der Juden

Berlin (dpa). Der neue Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, rechnet mit einem längerfristigen Prozess der Annäherung zwischen Juden und Nicht-Juden in Deutschland.

"Normalität und Unbefangenheit ist noch nicht da", sagte er am Sonntagabend im ZDF. Er rechne damit, dass der Annäherungsprozess "ein bis zwei Generationen" dauern werde. Der 62 Jahre alte Düsseldorfer Unternehmer und Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein war am Sonntag zum Nachfolger des im vorigen August gestorbenen Ignatz Bubis gewählt worden.

Spiegel sagte im ZDF, er wolle die Arbeit im Zentralrat auf die Schultern aller Präsidiumsmitglieder verteilen. Es sollten einzelne Ressorts eingerichtet werden, "wie bei der Arbeit eines Ministerpräsidenten mit seinen Ministern".

In der in Hagen erscheinenden "Westfalenpost" (Montag) kündigte Spiegel an, er werde aus mehreren Ehrenämtern ausscheiden. Er wolle auf diese Weise der zusätzlichen Arbeitsbelastung durch sein neues Amt und der Leitung seiner Künstleragentur Rechnung tragen. "Selbstverständlich werde ich auch zu politischen Fragen meine Stimme erheben. Es gibt keinen Leitfaden für Präsidenten des Zentralrates, ich muss meinen eigenen Weg finden." Er werde aber "nicht Dauergast in Talkshows sein".

Spiegel hatte sich in einer Kampfabstimmung des neunköpfigen Präsidiums mit sechs zu drei Stimmen gegen die 67-jährige Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde in München durchgesetzt. Beide waren bisher Vizepräsidenten des Zentralrats. Neue Stellvertreter wurden Knobloch und Michel Friedman aus Frankfurt/Main.

Mit dem am 31. Dezember 1937 in Warendorf bei Münster geborenen Spiegel, Inhaber einer Künstleragentur in Düsseldorf und ehemaliger Journalist, wurde noch einmal ein Mitglied der Generation der Holocaust-Überlebenden gewählt. Dies war im Vorfeld der Wahl in jüdischen Gemeinden vielfach gefordert worden. Spiegel hatte als Kind in einem Versteck in Belgien den Völkermord an den Juden in der NS- Zeit überlebt. Der am 13. August 1999 im Alter von 72 Jahren gestorbene Bubis war 1992 zum Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden Heinz Galinski gewählt worden.

(RPO Archiv)
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