Druck auf Diktator Assad wächst

Während die EU laut über Sanktionen gegen Syrien nachdenkt, befürchtet der Nachbar Israel, dass sich das Assad-Regime mit Gewalt halten kann. Die Chancen für eine friedliche Lösung sind dramatisch gesunken. Unterdessen wächst in Teheran die Sorge um seinen bislang engen Verbündeten.

Brüssel/Damaskus (cal/RP) Berichte über immer neue Massaker in Syrien lassen die Sorge über die Entwicklung in dem Nahost-Staat international wachsen. Die Europäische Union will morgen über die Lage in Syrien beraten.

Verteidigungsminister Thomas de Maiziere hat gestern eine klare Warnung des UN-Sicherheitsrats an die Adresse Syriens gefordert. "Wir unterstützen und erwarten ein starkes Signal, dass die Repressionen aufhören, dass das Töten aufhört, dass die Gewalt aufhört", sagte de Maizière in New York, wo er mit Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon Gespräche führte.

Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice sagte, den USA lägen Beweise dafür vor, dass Syrien bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste aktive Unterstützung aus dem Iran erhalte. Ein Vertreter der irakischen Regierung erklärte, die Behörden seines Landes erwarteten einen "massiven Ansturm" von Irakern, die bei der US-Invasion 2003 zu Hunderttausenden nach Syrien geflüchtet waren.

Zu den Vorgängen in Syrien solle seine Regierung schweigen, riet gestern der wohl prominenteste israelische Politik-Analytiker, der ehemalige Spitzendiplomat Alon Pinkas. "Israel sollte das tun, was ihm in den 63 Jahren seiner Existenz kaum jemals gelang: den Mund halten", meinte Pinkas gestern ganz undiplomatisch. Bisher hielten sich die Politiker an diesen Ratschlag, ohne allerdings ihre Schadenfreude zu unterdrücken.

"Alle haben verloren, und allen tut es jetzt weh", befanden israelische Diplomaten. Sie meinten mit "allen" nicht nur die Assad-Verbündeten Iran und die Hisbollah, sondern auch die Türkei – und nicht zuletzt die Europäer, die vor dem politischen Erdbeben in der arabischen Welt auf Baschar al Assad gesetzt und sich ihm allen Warnungen zum Trotz angenähert hätten.

Israel verfolgt die Entwicklung im Nachbarstaat mit erheblichen Befürchtungen. Wie immer der Machtkampf in Damaskus ausgeht, es werde für Israel noch schlimmer kommen, ist die allgemeine Sorge. Hohe Regierungskreise in Jerusalem gehen davon aus, dass sich Assad kurzfristig halten kann. Aber die Bevölkerung habe keine Angst mehr vor der Diktatur. Das gefährde über kurz oder lang den Bestand des Assad-Regimes. Der syrische Präsident hat noch vor Kurzem die angebliche Unterstützung der Bevölkerung auf seinen unnachgiebigen Kurs gegenüber Israel zurückgeführt. Und er beschuldigt Israel, hinter dem Aufstand gegen ihn zu stecken. Assad werde jetzt wohl noch eine kompromisslosere Anti-Israel-Politik machen.

Für den wahrscheinlichen Fall eines Assad-Sturzes zu einem etwas späteren Zeitpunkt sieht man in Israel mehrere Schreckensszenarien: entweder die Machtübernahme durch die bislang brutal unterdrückte sunnitische Muslim-Bruderschaft oder durch eine islamistisch ausgerichtete Koalition. Schlimmstenfalls drohe ein Machtwechsel zu Extremisten aus den zahlreichen, im Exil in Damaskus wirkenden Terror-Gruppierungen. Es sind nicht nur linke palästinensische Gruppen, sondern auch islamistische wie die Hamas. In beiden Fällen kämen Israel-Feinde an die Macht, deren erklärtes Ziel die Zerstörung des jüdischen Staates ist. Israel hat gestern die bislang größte Zivilschutzübung angekündigt.

Unterdessen sieht sich das Mullah-Regime in Teheran mit der Aussicht konfrontiert, einen treuen Partner in der Region zu verlieren und möglicherweise selbst in den Proteststrudel gezogen zu werden. Teheran war es nach der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni 2009 noch gelungen, seine eigene "Grüne Revolution" abzuwürgen.

Als am vergangenen Freitag in Syrien mehr als 100 Demonstranten getötet wurden, beschuldigte US-Präsident Barack Obama Assad, den Iran um Hilfe ersucht zu haben, um die gleichen brutalen Taktiken anzuwenden, auf die das Regime in Teheran vor zwei Jahren zurückgegriffen hat.

Syrien ist die wichtigste Verbindung des Iran zur arabischen Welt, das Bindeglied zur anti-israelischen Hisbollah im Libanon und zur Hamas in Gaza. Sollte Assads Regime stürzen, wäre der Iran eines loyalen Partners beraubt – in einer Region, die sich durch die Volksaufstände zurzeit neu ordnet.

Internet Mehr Bilder und Videos unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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