Die letzte Karte im Regierungspoker Doch Haider hat die Trümpfe

Wien (dpa). An Dramatik lässt das Tauziehen um eine neue österreichische Bundesregierung nichts zu wünschen übrig. Nach dem Scheitern einer Neuauflage der Großen Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und konservativer Volkspartei (ÖVP) scheinen nun die Weichen für eine "kleine" Mitte-Rechts-Koalition der ÖVP mit der Freiheitlichen Partei (FPÖ) des Rechtspopulisten Jörg Haider gestellt zu sein. ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel, der von den österreichischen Medien als undurchsichtiger Taktierer beschrieben wird, hat mit dem Koalitionsangebot an Haider seine letzte Karte im Regierungspoker gespielt.

Der 54-jährige Schüssel, der das "Mascherl" (Fliege) zu seinem Markenzeichen gemacht hat, hat seit den Parlamentswahlen vom 3. Oktober mehrere spektakuläre Wendungen vollzogen. Zunächst verkündete er den Gang in die Opposition. Dies war die logische Konsequenz seines Wahlversprechens, nicht mehr regieren zu wollen, falls die ÖVP hinter die FPÖ auf Platz drei zurückfällt. Beide kamen auf je 26,9 Prozent der Stimmen und verfügen über je 52 Sitze im 183 Abgeordnete umfassenden Nationalrat (Parlament) - Haiders Partei erhielt jedoch exakt 415 Stimmen mehr als die ÖVP.

Im Dezember gab Schüssel dann seinen Oppositionskurs unter dem Druck der Öffentlichkeit auf und begann Regierungsgespräche mit der SPÖ. Am vergangenen Freitag scheiterten jedoch diese Verhandlungen an den laut SPÖ "unerfüllbaren Forderungen" Schüssels, der unter anderem das wichtige Finanzministerium für seine Partei gefordert hatte. Damit blieb für den ÖVP-Chef die letzte Variante übrig: Eine "bürgerliche" Koalition mit Haider. SPÖ-Chef Viktor Klima hatte eine Koalition mit der FPÖ von vornherein ausgeschlossen.

Dass die FPÖ-ÖVP-Koalition tatsächlich zu Stande kommen wird, ist jedoch noch lange nicht ausgemachte Sache. Schüssel kann zwar damit spekulieren, die neue Regierung als Bundeskanzler anzuführen - die FPÖ unter Druck setzen kann er jedoch nicht, da für die ÖVP kein anderer Partner mehr in Frage kommt. Haider hingegen hält alle Trümpfe in der Hand.

"Sachliche Differenzen programmiert"

Die von SPÖ und ÖVP geplanten "Grauslichkeiten" zur Sanierung des Staatshaushalts kämen für ihn nicht in Frage, betonte Haider. Schüssel aber hat sich bisher für einen radikalen Sparkurs stark gemacht und der SPÖ vorgeworfen, diesen nicht mittragen zu wollen.

"Sachliche Differenzen sind programmiert; Haider springt ab, sobald es ihm passt, und flieht in Neuwahlen. Sein altbekannter Mangel an Verlässlichkeit und Verbindlichkeit wird das Verderben der ÖVP", befand das Massenblatt "Kurier" am Dienstag. Haider hat tatsächlich bereits mit Neuwahlen gedroht, sollte es nicht innerhalb von "maximal zehn Tagen" zu einer Einigung mit der ÖVP kommen.

Schüssel muss einen Urnengang buchstäblich fürchten wie der Teufel das Weihwasser, sagen doch alle Meinungsumfragen der ÖVP einen dramatischen Absturz in der Wählergunst voraus. Bereits am 3. Oktober hatte die ÖVP das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten eingefahren.

Haider hingegen befindet sich im Aufwind. Die FPÖ könnte fast allen Umfragen zufolge zur stärksten Partei werden. Dann käme auch Bundespräsident Thomas Klestil nicht umhin, Haider mit der Bildung einer neuen Bundesregierung zu beauftragen.

Bisher hatte Klestil eine Regierungsbeteiligung der FPÖ unter Verweis auf das internationale Ansehen Österreich abgelehnt. Im Ausland wird Haider, der bei der letzten Wahl mit ausländerfeindlichen Parolen Stimmen gesammelt hatte, vielfach als rechtsextremer Politiker bezeichnet.

(RPO Archiv)
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