Millennium-Bug hält sich noch zurück Die Welt begrüßt das neue Jahrtausend

Berlin/Hamburg (dpa). Vom Millennium zum Müllennium: Am Tag danach hatte die Müllmänner der Republik alle Hände voll zu tun. Nach Deutschlands größter Silvesterparty in Berlin waren über 800 Mitarbeiter im Einsatz. Bis die Straßen komplett sauber sind, kann es aber noch bis zu 14 Tage dauern.

uch das angeblich größte Feuerwerk Europas in Hamburg hatte seine Kehrseiten. Nach den großen Silvesterpartys an Alster, Landungsbrücken und auf der Reeperbahn sammelte die Stadtreinigung am Neujahrstag rund 100 Tonnen Abfälle, hieß es in einer Mitteilung am Sonntag. Zum Vergleich: Am 1. Januar 1999 wurden nach den Feiern an den Landungsbrücken rund 25 Tonnen Müll gesammelt.

Friedlich, unbeschwert und mit gigantischen Feiern sind die Menschen auf der Erde in das neue Jahrtausend gegangen. In der "Nacht der Nächte" wurde das Jahr 2000 in einem globalen Spektakel von der Südsee über Berlin bis New York mit furiosen Feuerwerken und bei ausgelassenen Partys jubelnd begrüßt. Das von vielen befürchtete Computer-Chaos blieb aus.

Stromversorger, Telefonunternehmen, Kliniken, Fluglinien und die Bahn meldeten nach Mitternacht einen "glatten" Datumswechsel. Erleichterung auch beim Krisenstab des Innenministeriums in Berlin. Experten wiesen aber darauf hin, dass technische Probleme erst am Montag auftreten können, wenn Unternehmen und Banken ihre Rechner wieder starten.

Das neue Jahrtausend kam zuerst in der Südsee an. Mit Chören aus Händels "Messias" feierten die Menschen im Königreich Tonga zeitgleich mit Sängern und Tänzern auf der winzigen "Millenniuminsel" in der Südsee als erste das Jahr 2000. Die Inselrepublik Kiribati, zu der das sonst unbewohnte Eiland gehört, hatte sich ebenso wie Tonga die beste Startposition durch findige Verwaltungsakte gesichert: Um Punkt 11.00 Uhr MEZ brach der Jubel los. Kiribati hatte die weit im Osten liegende Insel eingemeindet und die Datumsgrenze damit "ausgebeult", Tonga die Sommerzeit eingeführt.

Riesenparty in Berlin

In Berlin tanzten weit mehr als zwei Millionen begeisterte Menschen rund um das Brandenburger Tor ins neue Millennium. Die größte deutsche Millennium-Party übertraf damit alle Erwartungen. Schon eine Stunde vor Mitternacht drängten die Feiernden dort so sehr, dass die Polizei die Zugänge abriegelte. Auf der mit 4,5 Kilometer längsten Feiermeile der Republik zwischen Siegessäule und Rotem Rathaus standen mehr als 1 000 Künstler auf den Bühnen. Beim weltweit größten Lichtspektakel mit 250 Großscheinwerfern wurde die Siegessäule mit der "Goldelse" zum blauen Engel, der Tiergarten wurde in buntes Licht getaucht.

In München bestimmten überfüllte Straßen, dichtes Gedränge und teilweise auch Panik die Feiern auf der Millenniums-Meile. Hamburg begrüßte mit dem mutmaßlich größten Feuerwerk Europas das neue Jahr.

Im St. Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof und in der Charite kamen kurz nach Mitternacht die angeblich ersten Millennium-Babys in Deutschland zur Welt. Im St. Joseph-Krankenhaus wurde ein Junge als zweiter Zwilling eine Minute nach Mitternacht geboren. Im Virchow- Klinikum der Charite kam kurz nach Mitternacht der kleine Florian Vincent zur Welt. Das vermutlich erste "Millenniums-Baby" der Erde kam im neuseeländischen Auckland zur Welt.

Feuerwerk-Spektakel in Sydney

Mit einem farbenprächtigen Feuerwerk begrüßten mehr als eine Million Australier um 14.00 Uhr MEZ in Sydney das Jahrtausend - das sechs Millionen Mark teure Spektakel erblühte über der berühmten Oper und der Hafenbrücke. In Moskau feierten Hunderttausende bei dichtem Schneetreiben. Die Rechner in den Atomreaktoren und in den Feuerleitzentralen der nuklearen Streitkräfte überstanden den Jahressprung vorerst ohne Probleme, berichteten die Agenturen am frühen Samstagmorgen.

Die Japaner begrüßten das neue Jahrtausend weitgehend ohne Computerchaos. Experten in aler Welt atmeten auf, als das fernöstliche Inselreich die größte Bewährungsprobe einer modernen Industriegesellschaft bestand. Es gebe keine größeren Probleme, gab Ministerpräsident Keizo Obuchi knapp eine Stunde nach Mitternacht auf einer Pressekonferenz bekannt. Allerdings fielen in zwei japanischen Atomkraftwerken durch das Jahr-2000-Problem Daten-Kontrollsysteme zur Überwachung des Strahlenniveaus aus. Für die Bevölkerung gebe es aber keine unmittelbaren Auswirkungen, hieß es.

Klang- und Lichtschauspiel in Ägypten

Mit einem Feuerwerk aus Klang- und Lichteffekten, aber ohne Alkohol begrüßte Ägypten das neue Jahrtausend. Fünf Minuten vor 00.00 Uhr ägyptischer Zeit wurde an den Pyramiden von Gizeh eine dreieinhalbstündige Multi-Media-Oper des französischen Künstlers Jean Michel Jarre kurz unterbrochen, um das neue Jahr willkommen zu heißen. In Israel und den Palästinenser-Gebieten begann das Jahr 2000 ohne die befürchteten Anschläge religiöser Fanatiker.

In Italien wurde der Jahreswechsel zu einem Rausch der Sinne. Der Petersdom in Rom war in magisches Licht getaucht. Sichtlich bewegt betrachtete Papst Johannes Paul II. vom Fenster seiner Privatgemächer aus die Szenerie am Petersplatz. Das 79-jährige Kirchenoberhaupt erteilte den Segen Urbi et Orbi - der Stadt und dem Erdkreis. In London strömten bis zu drei Millionen Menschen in die völlig überfüllte Innenstadt.

Rio feiert am Strand

In Rio de Janeiro feierten rund vier Millionen Menschen mit Samba-Musik und einem prächtigen Feuerwerk am Strand. In New York hießen mehr als zwei Millionen Menschen das neue Millennium in den Straßen rings um den Times Square begeistert willkommen, es gab eine stundenlange High-Tech-Show mit Videoübertragungen von den Millenniumsfeiern aus aller Welt. In Paris jubelten eine Million Menschen auf den Champs-Elysees und vor dem Eiffelturm.

Die deutschen Stromversorger bestanden den Jahr-2000-Test. Die 44 Millionen Stromkunden erlebten den Jahreswechsel nach Angaben der Vereinigung Deutsche Elektrizitätswerke ohne größere Störungen. Ebenfalls störungsfrei blieb der Luftverkehr. Auch das globale Computernetzwerk Internet bestand den Jahreswechsel nach Expertenangaben bislang ohne erkennbare Probleme.

Tödliche Unfälle und Ausschreitungen

Überschattet wurde die Silvesternacht mancherorts von tödlichen Unfällen und Ausschreitungen. In Berlin musste die Feuerwehr allein in den ersten drei Stunden des Tages zu mehr als 1000 Einsätzen ausrücken. "So etwas hat es noch nie gegeben", sagt ein Sprecher am Samstagmorgen. Das Deutsche Rote Kreuz musste zahlreiche Besucher der Festmeile zwischen Reichstag und Rotem Rathaus wegen Brand- und Augenverletzungen behandeln. 147 Menschen wurden in Kliniken eingeliefert. Bei einem S-Bahn-Unfall starb ein junger Mann. Bundesweit starben bei Verkehrsunfällen mehrere Menschen.

Bei den Silvesterfeiern sind in der Düsseldorfer Altstadt nach Angaben der Feuerwehr rund 200 Menschen verletzt worden. Viele erlitten durch Glasscherben und Feuerwerkskörper Gesichts- und Augenverletzungen. In drei Fällen mussten Notoperationen vorgenommen werden. "Das war nicht mehr normal, die Leute waren total abgedreht", sagte am Samstag ein Sprecher der Feuerwehr.

In Gelsenkirchen starb eine 42 Jahre alte Frau beim Feuerwerk durch einen Schuss in den Hals. Die Polizei geht von einem Unglück aus. In Hildesheim riss ein Silvesterknaller einem 14 Jahre alten Jungen die linke Hand ab. Beide Hände verlor ein 41 Jahre alter Mann in Elsnig in Sachsen bei einer Explosion, als er einen Feuerwerkskörper selbst basteln wollte.

Auf den Philippinen starben mindestens zehn Menschen während der Jahrtausendfeiern, Hunderte wurden verletzt. Die Kopenhagener Polizei nahm etwa 50 junge Leute nach gewalttätigen Unruhen und Angriffen auf Beamte fest.

(RPO Archiv)
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