Analyse Die Wahl in der Ukraine - Chance oder Farce?

Moskau · In weniger als drei Wochen, am 25. Mai, soll die Ukraine einen neuen Präsidenten wählen. Doch es gibt große Zweifel, ob dies angesichts des Chaos im Land möglich ist. Russland ist ohnehin dagegen.

Die Frage, ob die Präsidentenwahl nun besser stattfinden soll oder nicht, zeigt das ganze Dilemma, in dem die Ukraine derzeit steckt. Russlands Präsident Wladimir Putin fordert, den Urnengang am 25. Mai abzusagen. US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel wollen dagegen an dem Abstimmungstermin festhalten. Aber auch die Meinungen deutscher Ukraine-Experten gehen auseinander.

Und die Ukrainer selbst? Laut einer aktuellen Umfrage ist die Mehrheit dafür, dass die Wahl stattfindet - und zwar im Westen wie im Osten. In den westlichen Landesteilen ist der Enthusiasmus größer: Hier wollen sich 91 Prozent an der Wahl beteiligen. Aber im Osten sind es immerhin 79 Prozent, im Süden 62 Prozent.

Der Kreml verweist auf die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in der Ost-Ukraine und auf Menschenrechtsverletzungen, die ein russischer Report im Nachbarland festgestellt hat. Das halbe Land steht derzeit in Flammen.

Sicherlich ist es auch ein Ziel der russischen Wühlarbeiten und Provokationen, die Präsidentenwahl unmöglich zu machen oder zumindest zu desavouieren. Denn Moskau hat ein Problem: Es konnte bei dieser Wahl keinen ihm genehmen Kandidaten ins Rennen schicken.

Die beiden Favoriten, der Unternehmer Petro Poroschenko (29 Prozent) und die Ex-Premierministerin Julia Timoschenko (13 Prozent), vertreten eine pro-europäische Ausrichtung. Beide haben auch Rückhalt in der Ost-Ukraine. Trotzdem kann sich das Dilemma mit der Wahl fortsetzen: Lässt sich die Abstimmung nicht in allen Landesteilen abhalten, hat Putin einen Vorwand, den Sieger nicht anzuerkennen. Damit hätte die Wahl ihr Ziel verfehlt: die Legitimierung der Macht und die Stabilisierung der politischen Lage.

Der Historiker und Ukraine-Experte Andreas Umland plädiert daher dafür, die Wahlen abzusagen. Stattdessen sollte das Parlament als gewählte Volksvertretung eine Verfassungsreform beschließen, die mehr Macht vom Präsidenten auf die Regierung überträgt.

Außerdem sollte nicht das Volk, sondern das Parlament oder eine größere Versammlung den neuen Präsidenten wählen. So könnte sich der Staat konsolidieren, ohne die Unruhe einer Wahl, die ohnehin nicht reibungslos vonstatten gehen kann.

Anderer Ansicht ist Miriam Kosmehl, Projektmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung in Kiew: "Es wäre gefährlich, von diesen Wahlen Abstand zu nehmen." Die derzeitige Führung des Landes sei nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch mit der Losung angetreten, sie werde nur für den Übergang die Geschäfte führen.

Jetzt müsse auch der Beweis erbracht werden, dass die Bürger darüber entscheiden können, wer künftig als Präsident das Sagen hat, zumal der Favorit Petro Poroschenko als Unternehmer einen Ruf als guter Manager habe. Unter ihm, so hoffen viele Ukrainer, könnten viele Probleme ganz pragmatisch gelöst werden.

(RP)
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