SPD in der Krise Wenn drei schreiten Seit’ an Seit’

Berlin · Die SPD gleicht einem Scherbenhaufen. Schwesig, Dreyer und Schäfer-Gümbel sollen aufräumen. Jetzt beginnen harte Debatten.

 Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag in Berlin.

Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag in Berlin.

Foto: AFP/TOBIAS SCHWARZ

Als Andrea Nahles an diesem Montagvormittag zum ersten Mal als Ex-Parteichefin durch die Tür des Willy-Brandt-Hauses kommt, lässt sie im Vorstandssaal der SPD betretene Gesichter zurück. Traurig und beklemmend sei die Stimmung gewesen, berichten Teilnehmer der Gremiensitzung hinterher. Stehend habe man Nahles applaudiert, ihr für ihren Einsatz in der Partei über mehr als 30 Jahre hinweg gedankt, für ihre wenn auch nur kurze Amtszeit als erste Parteichefin, für ihre ergreifende Abschiedsrede.

Darin wünschte sie den Genossinnen und Genossen dem Vernehmen nach, endlich wieder zu gegenseitigem Respekt zurückzufinden. Auf ihre Kritiker wie Ex-Parteichef Sigmar Gabriel verschwendete sie hingegen kein Wort. Nahles beklagte eine jahrelange Kultur des Gegeneinanders in der SPD. Noch einmal begründete sie ihren Rücktritt mit fehlendem Rückhalt in Partei und Fraktion. Mit kurzer Unterbrechung sei sie seit 1995 Mitglied des Parteivorstandes gewesen, sagte Nahles. Ihr sei es daher ein Anliegen gewesen, in dem Gremium ihre Entscheidung zu erläutern.Und sie bot ihrem noch jungen Nachfolger im von ihr 1989 gegründeten Ortsverein in Weiler in der Eifel ihre Unterstützung an. „Ich habe mich gerade eben im Parteivorstand der SPD verabschiedet. Ich bin zurückgetreten“, sagt Nahles dann unten vor der Tür. Mit einem knappen Dank an die Journalisten kehrt sie der Parteizentrale den Rücken. Vorbei – nach nur 13 Monaten an der Spitze.

Jetzt gleicht die SPD einem Scherbenhaufen. Mit Manuela Schwesig und Malu Dreyer, Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, sowie dem scheidenden hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel übernehmen gleich drei SPD-Vizes Nahles’ Job. Zumindest vorübergehend, bis es eine neue regulär gewählte Vorsitzende oder einen Vorsitzenden geben wird. Doch weder Schwesig, Dreyer, noch Schäfer-Gümbel stehen dafür bereit. Auch Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz hatte mit Verweis auf Zeitknappheit schon abgewunken. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte zum wiederholten Male, er bliebe „furchtbar gerne“ Ministerpräsident und habe keine anderen Ambitionen. Kopf- und führungslose SPD?

Das will das erste Trio an der Parteispitze nicht gelten lassen – auch wenn es nicht gut bestellt ist um die SPD. „Der Rücktritt von Andrea Nahles hat dazu geführt, dass sich unsere Lage nochmal sehr ernsthaft verschärft hat“, sagt Schwesig bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung. Dennoch: Schäfer-Gümbel sprach von einer Chance auf Neuanfang. Diese Chance müsse man jetzt „zügig aber auch besonnen“ nutzen, forderte Schäfer-Gümbel.

Im Parteivorstand hatte es zuvor eine stundenlange Aussprache gegeben. Nachdem Nahles das Haus verlassen hatte, gab es zig Wortmeldungen dazu, dass die SPD doch jetzt die große Koalition verlassen müsse, andere wollten an dem Bündnis festhalten. Außerdem hagelte es Kritik etwa an dem bayerischen Abgeordneten Florian Post, der sich wiederholt gegen Nahles und für Sigmar Gabriel positioniert hatte. Weitere Mitglieder, darunter Außenminister Heiko Maas, sprachen sich für eine Doppelspitze aus, auch die Beteiligung der SPD-Mitglieder an der Vorsitzendenwahl wurde diskutiert, ebenso ein Zusammenschmelzen der Führungsgremien. 

Am 24. Juni soll der Parteivostand nun ein ganzen Bündel an Entscheidungen zu diesen Punkten treffen. Bis dahin aber hat man sich Zeit verordnet, Zeit zum Durchschnaufen. Zugleich will Nahles an diesem Dienstag auch ihren Rücktritt als Fraktionschefin erklären. Wie dort das weitere Vorgehen aussieht, blieb noch offen. Deutlich schneller wolle man zu einer Entscheidung kommen, wer auf Katarina Barley im Amt der Justizministerin nachfolgt. So viel ist klar: Vorerst will die SPD an der Koalition festhalten.

Unterdessen hat sich die nordrhein-westfälische SPD darauf verständigt, am kommenden Freitag wichtige Beschlüsse fassen zu wollen. Das verlautete aus Parteikreisen nach einer Telefonkonferenz des Landesvorstands am frühen Montagabend. In der Präsidiumssitzung am frühen Freitagabend solle das weitere Vorgehen der Landespartei nach dem Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles festgezurrt werden. Im einzelnen gehe es darum, den Bundesparteitag vorzuziehen, der über den Fortbestand der Groko befinden soll. Auch sei zu entscheiden, ob der oder die neue Partei-Vorsitzende per Mitgliederentscheid bzw. -empfehlung bestimmt werden soll.

Es mache jetzt keinen Sinn mehr, an dem bisherigen Dezembertermin für den Bundesparteitag festzuhalten, hieß es weiter. Vielmehr müsse über das Verbleiben der SPD in der Groko schnellstmöglich abgestimmt werden. Die NRW-SPD ist der mitgliederstärkste Landesverband der Partei, ähnliche Beschlüsse würden aber auch in anderen Landesverbänden ins Auge gefasst, hieß es.

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