Diesel-Streit: Proteste greifen auf andere Länder über Die Situation in Frankreich entspannt sich

Paris/London/Rom/Hildesheim (dpa). Die Proteste gegen hohe Treibstoffpreise weiten sich von Frankreich immer mehr in andere europäische Länder aus. Während es in Italien und Deutschland am Samstag erste Aktionen gab, nahmen in Großbritannien die Blockaden zu. Dagegen entspannte sich die Lage in Frankreich knapp eine Woche nach Beginn der Massenproteste von Fernfahrern, Bauern und Taxi- Chaffeuren am Samstag erstmals. In Spanien und Belgien, wo die Fernfahrer in der vergangenen Tagen ihrem Unmut über die drastisch gestiegenen Treibstoffpreise Luft gemacht hatten, blieb es ruhig.

In Deutschland protestierten am Samstag in der Innenstadt von Hildesheim rund 120 Lastwagenfahrer gegen teuren Sprit. Sie nutzten einen Besuch des niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD) zu einem Hupkonzert und einer Straßenblockade. Auf ihren Transparenten war zu lesen: "Nirgends werden Autofahrer so geschröpft wie in Deutschland".

Am Freitagabend hatte es in Uelzen die bundesweit erste Demonstration gegen die hohen Kraftstoffpreise gegeben. Rund 40 Lkw-Fahrer protestierten mit ihren tonnenschweren Fahrzeugen am Rande eines Besuchs von Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD). Der Minister sagte in einem dpa-Gespräch, die Bundesregierung werde Entlastungen für Spediteure prüfen. Er betonte, Protestaktionen wie in Frankreich seien bei der Lösung der Probleme nicht hilfreich.

Auch deutsche Spediteure drohen mit Protestaktionen wegen der steigenden Spritpreise. In einem Brief an Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier warnt der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) nach einem am Samstag veröffentlichten Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus": "Die Situation ist verzweifelt bis aggressiv und droht unbeherrschbar zu werden."

Die deutschen Fuhrleute könnten "nicht alleine mit einer Ökosteuerzusatzbelastung leben, wenn in Frankreich, Italien, Belgien und den Niederlanden massive Stützungsprogramme des Transportgewerbes laufen", schrieb BGL-Präsident Hermann Grewer. Die Union will in den nächsten Tagen eine Kampagne gegen die Ökosteuer starten und im Bundestag deren Abschaffung beantragen. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte dem Blatt: "Fehler beseitigen oder abgewählt werden, das muss die Alternative für Rot-Grün sein."

In Großbritannien wurden drei Ölraffinerien in verschiedenen Teilen des Landes von Lkw-Fahrern, Bauern sowie Taxi- und Busfahrern blockiert. Die offiziell von den Gewerkschaften bisher nicht unterstützten Aktionsgruppen der Farmer und Fernfahrer haben eine Intensivierung ihrer bisher noch vereinzelten Aktionen angekündigt. Großbritannien hat die höchsten Benzinpreise in der EU. Der Steuersatz pro Liter liegt bei 80 Prozent.

In Frankreich stimmte unterdessen auch der kleinste der drei Verbände des Speditionsgewerbes, die UNOSTRA, dem Steuerkompromiss der Regierung zu und rief ihre Mitglieder auf, die Blockaden zu beenden. Daraufhin wurde binnen weniger Stunden fast die Hälfte der Blockaden von Treibstoffdepots abgebaut. Von den 291 großen Treibstofflagern und 13 Raffinerien waren am Abend nur noch knapp 30 blockiert. Aus allen Landesteilen wurde außerdem die Einstellung der Protestaktionen von Lastwagenfahrern, Bauern, Taxichauffeuren und Fahren von Rettungsfahrzeugen gemeldet. Sie hatten neben den Benzin-Depots tagelang Straßen, Zugstrecken und Regionalflughäfen versperrt.

In einigen Regionen des Landes, vor allem in Südfrankreich und in der Bretagne, wurden die Protestaktionen indes nur zögerlich eingestellt. Dies lag nach Angaben der Berufsverbände vor allem an Kommunikationsproblemen, teilweise aber auch am Widerstand der Mitglieder an der Basis.

Auch die französischen Bauern waren am Nachmittag dabei, ihre Protestaktionen zu beenden. Ihre Berufsvertretungen hatten in der Nacht eine Übereinkunft mit der Regierung erreicht. Danach erhalten die Bauern rückwirkend zum 1. Januar 2000 Steuererleichterungen in Höhe von 460 Millionen Franc (rund 137 Millionen Mark). Trotz der bröckelnden Protestfront herrschte in ganz Frankreich extremer Treibstoffmangel. 80 Prozent der großen Tankstellen teilten mit, sie könnten gar kein Benzin oder nur noch rationierte Mengen verkaufen.

Die großen Ölkonzerne teilten aber mit, am Montag könnten die Tankstellen wieder beliefert werden. Es dauere aber noch mehrere Tage, bis "alles wieder normal funktioniert". Um die Versorgung schnell wieder herzustellen, hob die Regierung am Samstag das Wochenendfahrverbot für Lastwagen und Tankwagen auf.

(RPO Archiv)
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