Die Schwäche Europas ist Athens bester Freund

Das gab es bislang in der Geschichte des Währungsfonds nicht: dass ein entwickeltes Land seine Kredite nicht bedient. Doch Athen will auch dieses Tabu brechen. Eigentlich ist nun der D-Day gekommen, der Tag, an dem die Staatspleite ("default") offiziell festzustellen wäre. Doch Tsipras weiß, dass IWF-Chefin Lagarde sich Zeit lassen kann. Er genehmigt sich einfach den Zahlungsaufschub, den die Geldgeber ihm nicht mehr gewährten. Anarchie im Euro-Land.

An den Börsen brach keine Anarchie aus. Statt des befürchteten schwarzen gab es nur einen grauen Montag. Aktienkurse spiegeln die Erwartungen der Marktteilnehmer - und diese haben die Staatspleite längst eingepreist. Zudem setzen sie auf die Europäische Zentralbank. Vielleicht intervenierte sie bereits gestern, der Euro stieg anstatt zu fallen. Vor allem will die EZB nicht der Drachentöter sein. Die Kanzlerin aber auch nicht. Und so enthielt ihr Mantra "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa" gestern auch die Botschaft an Athen: Die Tür bleibt offen. Worüber sie verhandeln will, wenn die Griechen beim Referendum Nein zu den Reformen sagen, bleibt offen. Die Schwäche der Geldgeber, den Grexit nicht überzeugend anzudrohen, nutzt Tsipras gekonnt aus.

(RP)
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