Berlin Die Rolle Deutschlands in der Asylpolitik

Berlin · Mit seiner Behauptung, die Flüchtlingskrise sei kein europäisches, sondern ein deutsches Problem, hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán den Blick auf die Rolle Deutschlands in der europäischen Flüchtlingspolitik gelenkt.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer stimmte Orbán bei der Einschätzung zu, dass die meisten Flüchtlinge nach Deutschland wollten. "Aber genau deswegen ist der Flüchtlingsansturm kein deutsches Problem, sondern die Mega-Herausforderung Europas." Bis dato versage die europäische Solidarität hier jedoch völlig. Ähnlich wertete Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, die neue Debatte: "Es handelt sich um eine europäische Herausforderung, die nur europäisch gelöst werden kann", betonte der CDU-Außenexperte. Solidarität sei der "Baustein Europas, auf den jeder immer wieder angewiesen ist", erklärte Röttgen.

Bei einem Besuch in Bern erklärte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Asylpraxis der Schweiz zum Vorbild für ganz Europa: "Ich glaube, dass wir die Prinzipien, die hier angewandt werden, auch in der Europäischen Union als gemeinsame Prinzipien wirken lassen sollten." Sie bezog sich auf das Schnellverfahren bei Asylsuchenden aus Westbalkan-Staaten. Zwischen der Anhörung der Betroffenen und deren Rückführung nach einer negativen Entscheidung vergehen oft nicht mehr als 48 Stunden. Die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Ländern sank um mehr als 90 Prozent.

Die Schweiz als Beispiel für den notwendigen Umgang Europas mit dem Anschwellen der Flüchtlingszahlen zu nennen, trifft bei Angela Merkel zusammen mit einer europäischen Initiative. Dafür hat sie Frankreichs Präsident François Hollande ins Boot geholt. Eingreifende Veränderungen in europäischen Positionen hat es in der Vergangenheit immer nur gegeben, wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam vorgingen. Nun hat Merkel es offenbar geschafft, die Vorbehalte gegen feste Quoten in Paris auszuräumen. Merkel teilte in Bern mit, Deutschland habe in dieser Frage eine "Vielzahl von Verbündeten". Tatsächlich sprach Hollande bereits von "permanenten und verbindlichen Mechanismen", mit denen die Aufnahme und gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Europa organisiert werden sollte.

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) befürchtet, dass Deutschland ohne eine europäische Asylregelung Hauptzielland der Flüchtlinge bleibt. Die Tatsache, dass München in diesem Jahr "allein so viele Flüchtlinge" aufnehme wie das "große und stolze Polen insgesamt", nennt Singhammer ein "erschreckendes Beispiel der mangelnden europäischen Solidarität".

(may-/qua)
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