Die Populisten und die Fakten Der neue Irrationalismus

Düsseldorf · Nicht erst mit dem Sieg von Donald Trump sind Populisten auf dem Vormarsch. Sie beschwören die Überschaubarkeit der Welt und lehnen jede Verantwortung ab. Fakten spielen dabei für sie keine Rolle.

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Im Grunde gibt es nichts Besseres als den Populisten. Als jene vermeintlichen Fürsprecher unseres Gemeinwesens, die das Volk im Namen tragen, die aus dem Volk zu stammen und seine Interessen darum zu vertreten scheinen. Das alles meint der Begriff Populismus aber nicht, der soziologisch unter Rhetorik oder auch als politische Taktik zum Machterhalt verbucht wird. Kurioserweise ist der Populist sogar das Gegenteil von volksnah. Der Populist kann ruhig der Elite entstammen und sich elitäre Verhaltensmuster leisten, wenn er nur glaubhaft den Kampf gegen vermeintliche Ursachen von Ängsten zu führen verspricht.

Solche Ängste sind zahlreich und groß; dementsprechend erfolgreich sind derzeit die Populisten in vielen Ländern der Welt: In Polen und Ungarn, in Russland und jüngst vor allem in den Vereinigten Staaten, verstärkt auch in Frankreich und zunehmend in Deutschland gewinnen Populisten an Einfluss oder sind bereits an der Macht.

Das Unbehagen an der Moderne

Ein Programm eint sie nicht, wohl aber ein Gefühl, das man ein bisschen hochtrabend das Unbehagen an der Moderne nennen könnte. Mag sein, dass es zutrifft, wenn Moderne großzügig mit jeglicher Form der Veränderung gleichgesetzt wird. Doch die Gründe der Angst sind konkreter, sie umfassen schlichtweg alle Lebensbereiche, die sich wandeln und die von außen beeinflusst werden: wie die gleichen Rechte für die Frau etwa, der Zuzug von Flüchtlingen aus fernen und die Einwanderung von Menschen aus ärmeren benachbarten Ländern, der freie Handel mit der Welt wie auch der Wandel des Klimas. Das alles macht Sorgen und lässt sich subsumieren unter dem Schlagwort der Globalisierung. Populisten sind Anti-Globalisierer; ihre heile Welt ist eine überschaubare.

Gegen die unheimliche Vielfalt der Welt haben die Populisten ein Gegengift entdeckt: den Rückzug auf die eigene Scholle und deren Verteidigung. Alle Populisten betonen das Nationale, beschwören die homogene Gesellschaft, preisen eine gewisse Abschottung, auch wenn dazu irrsinnig lange Mauern nötig würden. "Neoisolationismus" nennt man das. Für die, die ihn vertreten, ist das kein Schimpfwort. Nur würden sie es anders nennen. Rückbesinnung vielleicht.

Die Angst vor der Freiheit

Was die Menschen ängstigt, ist eine Freiheit, von der sie selbst kaum profitieren, an der sie nicht teilhaben und deren Folgen sie nicht absehen können. Freihandel macht Angst, er kann Arbeitsplätze bedrohen und das Warenangebot im Supermarkt durcheinanderbringen. Angst macht auch, was nicht richtig zu greifen ist - wie derzeit der Klimawandel. Donald Trump leugnet ihn ebenso, wie es die Alternative für Deutschland (AfD) tut. In deren Grundsatzprogramm ist zu lesen: "Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert. Seit die Erde eine Atmosphäre hat, gibt es Kalt- und Warmzeiten." Der Klimawandel wird dann als "Pseudoreligion" stigmatisiert und ein menschlicher Einfluss auf das Klima für unmöglich erklärt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass menschliches Zutun dennoch denkbar wäre, könne ein solcher Klimawandel ganz sicher nicht in Deutschland gestoppt werden, heißt es.

Manchmal ist die Angst so groß, dass sogar moralische Autoritäten ohne Rücksicht auf Verluste attackiert werden, wenn sie sich gegen Vorurteile stellen. Zu spüren bekam das kürzlich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der sich besonders für Flüchtlinge einsetzt und überdies erklärte, ein muslimischer Bundespräsident sei in Deutschland vertretbar. Auf der Internetseite der AfD fanden sich anschließend Beleidigungen und sogar Tötungsaufrufe, die erst nach staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen Volksverhetzung wieder gelöscht wurden.

Die Wahrheit hilft gegen Populisten nicht

Wie aber insgesamt auf Populisten wirksam zu reagieren ist, hat noch niemand rausgefunden. Als besonders unwirksam hat sich die Wahrheit erwiesen - ein ernüchternder Befund für all jene, die an Nutzen und Gewinn der Aufklärung festhalten. In der Zeitschrift "The Economist" wurde jüngst das Zeitalter der "post-truth-politics" ausgerufen, also eine Art postfaktische Ära. Wie Donald Trump es in seinem Wahlkampf geradezu exerzierte, scheren sich Populisten herzlich wenig um abgesicherte Fakten. Und das gar nicht nur verdeckt. Fast verächtlich werden jene wackeren Kontrahenten betrachtet, denen es um etwas vermeintlich sehr Altertümliches geht: um Aufklärung. Es geht in den Debatten der Populisten nicht um Wahrheit. Das Zeitalter der Fakten, die als Grundlage jeder Entscheidungsfindung nützlich waren, scheint vorbei zu sein.

Spannenderweise geht es aber auch nicht um Lüge, weil nämlich Populisten meist leugnen, dass es eine Wahrheit überhaupt gibt, und der Deutungskampf über die Wirklichkeit vor allem mit Emotionen geführt wird.

Für den amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt ist die Unwahrheit im Zeitalter des Postfaktischen noch lange keine Lüge. Sie ist "Bullshit". Danach hat die Verbreitung von Bullshit ihre Ursachen im Skeptizismus, "der uns die Möglichkeit eines zuverlässigen Zugangs zur objektiven Realität abspricht und behauptet, wir könnten letztlich gar nicht erkennen, wie die Dinge sind". Bullshit ist der Freispruch der Populisten und die Entlastung seiner Anhänger. Wenn die Realität nicht mehr zu erkennen ist, wird die eigene beschränkte Sicht zur Wirklichkeit der Welt. Die Theorie des Bullshits befreit von der letzten Angst: die vor der Wahrheit.

Die Niederlage der Aufklärung hat zwei Bewegungen vitalisiert. Die eine knüpft an die Paradigmen unserer mittelalterlichen Welt an, mit dem religiösen Fanatismus; die andere mündet im Irrationalismus. Ihnen selbst mit Bullshit zu begegnen, wäre fatal. Weil der, der sich der Mittel seines Gegners bedient, diesem Gegner ähnlich wird.

(los)
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