Machtwechsel nach 71 Jahren Die "perfekte Diktatur" ist zu Ende

Mexiko-Stadt (AP). Mehr als sieben Jahrzehnte lang hat die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) Mexiko regiert - mal mit Samthandschuhen, mal mit eiserner Faust. Das eng mit Gewerkschaften und Unternehmen verflochtene Herrschaftssystem im größten Staat Mittelamerikas hat der peruanische Schriftsteller als "perfekte Diktatur" beschrieben. Jetzt wird der Wahlsieg des Oppositionskandidaten Vicente Fox als Meilenstein der Demokratie bejubelt.

Dabei hat sich die PRI seit dem denkwürdigen Wahlbetrug von 1988 schon aus eigener Kraft mehr und mehr demokratische Reformen zu eigen gemacht - damals wurde der Sozialdemokrat Cuauhtemoc Cardenas mit einer "Computerpanne" bei der Stimmenauszählung um den schon sicher scheinenden Wahlsieg gebracht. Der Sieg von Fox und seiner Nationalen Aktionspartei ist ein eindrucksvoller Schlusspunkt dieser Entwicklung.

Die PRI von heute ist nicht mehr die Partei, die Präsident Plutarco Elias Calles 1929 gegründet hat, um die rivalisierenden Fraktionen der Mexikanischen Revolution unter ein Dach zu bringen. 1989 verlor die PRI ihre erste Gouverneurswahl in einem der 31 mexikanischen Staaten an die PAN. Danach büßte die alte Staatspartei auch die Mehrheit im Kongress und viele Bügermeisterämter in den Großstädten ein. Der bisher letzte PRI-Präsident Ernesto Zedillo krönte die innerparteilichen Reformen mit der Entscheidung, den Präsidentschaftskandidaten nicht mehr in den internen Machtzirkeln auszukungeln, sondern in einer offenen Vorwahl nach dem Vorbild der USA zu bestimmen. Der daraus hervorgegangene Kandidat Francisco Labastida aber konnte die Mexikaner nicht für sich einnehmen.

"Sagt der Welt, dass wir glücklich sind"

Die Wirtschaftskrisen in den 80er Jahren trieben auch einen großen Teil der wohlhabenden Mittelschicht in die Opposition, die zuvor stets der PRI ergeben war. Ihre erste Wahl war aber nicht die sozialdemokratische Partei der Demokratischen Revolution (PRD) von Cardenas, sondern die wirtschaftsliberale PAN. Die Sparpolitik der Regierung und die Verpflichtung der einst einem diffusen Sozialismus verbundenen PRI auf die freie Marktwirtschaft bewirkten zudem, dass die Partei ihre alte Praxis aufgeben musste, wichtige Wählerkreise mit großzügigen Geschenken bei der Stange zu halten.

Am Sonntag ging es kaum noch um politische Inhalte, sondern vor allem um das eine Ziel, der Herrschaft der PRI endlich ein Ende zu setzen. Die feiernden Anhänger von Fox konnten es am Wahlabend kaum glauben, dass es geschafft war. "71 Jahre lang haben wir auf diesen Augenblick gewartet", sagte Enrique Robledo Molina, der eigens aus dem südlichen Unruhestaat Chiapas in die Hauptstadt gekommen war, um den Sieg der Opposition zu feiern. Mehr als 15.000 Menschen versammelten sich rund um das Unabhängigkeitsdenkmal, wo der Jubel im Konfettiregen kein Ende nehmen wollte. "Sagt der Welt, dass wir Mexikaner glücklich sind", fügte Robledo hinzu.

So schwierig auch der erste Oppositionssieg in Mexiko zu erringen war - das Regieren wird für Fox möglicherweise noch viel schwerer. Zwar konnte die PAN auch bei den gleichzeitigen Kongresswahlen zulegen und im Staat Morelos ihren achten Gouverneurstitel gewinnen, doch eine Mehrheit im Parlament ist nicht in Sicht. Da die PRI in vielen Fragen der PRD näher steht, könnten sich beide Parteien im Kongress gegen die Regierung Fox verbünden. Und in den Behörden wie in den Management-Etagen der großen Unternehmen hat auch künftig die PRI das Sagen.

(RPO Archiv)
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