Protestbewegung auch in Deutschland Die nackten Argumente der Femen-Frauen

Moskau · Die Aktivistinnen der ukrainischen Protestgruppe sind auch in Deutschland angekommen. Ihre Auftritte mit nacktem Oberkörper sollen provozierend wirken. Aber wer sind diese Frauen, und was wollen sie bewegen?

Protestbewegung auch in Deutschland: Die nackten Argumente der Femen-Frauen
Foto: Florian Schuh/dpa

Sie tragen Blumenkränze im Haar, werfen sich halbnackt mit provokanten Slogans vor Politiker und Prominente, sie zappeln und kreischen. Die Aktivistinnen der Frauengruppe Femen gehen immer nach dem gleichen Schema vor. Hoher Wiedererkennungswert, loben PR-Profis. Geschmacklose Masche mit diffuser Botschaft, nörgeln Kritiker. Seit dem barbusigen Auftritt einer Aktivistin, die beim Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom halbnackt gegen das Machtmonopol der katholischen Kirche protestierte, erregt Femen auch in Deutschland die Gemüter.

Zu den Mitbegründern von Femen gehört auch ein Mann. Viktor Swjatski soll die Idee einer Feministengruppe gekommen sein, als er in seiner ukrainischen Heimatstadt Chmelnizki Frischvermählte vor einem Standesamt beobachtete. Mit dabei war auch Hanna Huzol. Das war 2008. Vier Jahre zuvor hatte die Orange Revolution pro-westliche Kräfte um die damalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und den ehemaligen Präsidenten Viktor Juschtschenko an die Macht gebracht. Die Gründerinnen von Femen nutzten die neugewonnene Freiheit der Meinungsäußerung, um sich für die Belange der Frauen in der Ukraine einzusetzen. Denn sie gelten als Verliererinnen der Wende, verdienen im Schnitt ein Drittel weniger als die Männer.

"Die ukrainischen Frauen haben nur ein Ziel im Leben: Einen Mann finden — am besten einen Ausländer. Dann wollen sie nur noch Ehefrauen sein", sagt Alexandra Schewtschenko, eine der Anführerinnen von Femen. In der Tat sind in vielen ukrainischen Städten bis heute riesige Poster von Heiratsagenturen zu sehen, auf denen für die Vermittlung einer Ehe mit einem Ausländer geworben wird. Für viele Ukrainerinnen endet die Reise ins vermeintlich gelobte Land jedoch mit Ausbeutung und Zwangsprostitution.

Wilde Verschwörungstheorien

Für Femen war dies der ursprüngliche Ansatz ihrer Arbeit. "Die Ukraine ist kein Bordell", nannte sich ihre erste Kampagne, bei der die Aktivistinnen ohne Oberteile und mit radikalen Parolen auftraten. Im Haar trugen sie den "Wenok" — einen traditionellen Blumenschmuck der ukrainischen Frauen. Bis heute ist er ihr Markenzeichen. "Wir wollen, dass die Frau in der Welt frei ist", beschreibt Gründerin Huzol (29) das Ziel ihrer Organisation.

Die ukrainische Journalistin Jaroslawa Koba, die Femen zwei Monate lang beobachtete, behauptete später, Mitgründer Viktor Swjatski ziehe weiterhin im Hintergrund die Strippen. Die Femen-Anführerinnen bestreiten das vehement. Nach anderen Theorien wird die Gruppe vom ukrainischen Innenministerium finanziert, auch Präsident Viktor Janukowitsch wird genannt.

Aktiv in ganz Europa

Längst ist Femen in ganz Europa aktiv. So posierten die Frauen in Paris als Hausmädchen verkleidet vor dem Haus des ehemaligen Direktors des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn. Er musste sein Amt wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung aufgeben. Andere protestierten bei den Olympischen Spielen in London gegen die Teilnahme islamistischer Regime oder stürmten im April die Hannover Messe bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kremlchef Wladimir Putin.

Im August 2013 wurde die Zentrale der Organisation von Kiew nach Paris verlegt, weil man in der Ukraine um "Leben und Freiheit der Aktivistinnen" fürchtete. Nach eigenen Angaben hat Femen 30 Aktivistinnen in Frankreich, von weiteren 200 Mitstreiterinnen im Ausland ist die Rede. Hinzu kommt ein großer Kreis von Unterstützerinnen in sozialen Netzwerken. Ihre Zahl ist schwer zu schätzen. Die Organisation spricht von 60 000 Menschen. Viele Anhänger sind Studentinnen. Seit 2012 gibt es auch zwei Femen-Gruppen in Deutschland — eine in Berlin und eine in Hamburg.

Schewtschenko schätzt, dass die Organisation im Monat zwischen 5000 und 7000 Euro einnimmt. Davon stamme ein Teil aus Spenden, ein Teil aus Erlösen des Femen-Shops, in dem die Frauen Abdrücke ihrer Brüste als Poster verkaufen. Einer der größten Sponsoren, der amerikanische Geschäftsmann Jed Sunden, zog sich 2011 zurück. Dem ehemaligen Besitzer einer ukrainischen Wochenzeitung missfielen Aktionen, in denen die Aktivistinnen die Gefühle von Gläubigen verletzt haben sollen.

(RP)
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