Düsseldorf Die jungen Mitmischer

Düsseldorf · Vielen Parteien geht der Nachwuchs aus. Doch es gibt auch Hoffnungsträger. Ihr Anliegen: nicht meckern, sondern machen.

Die Jugendorganisationen der Parteien denken sich Sätze und Fragen aus, die aufregend klingen sollen: "Wie viel Wir braucht das Ich?" (Jungsozialisten), "Black is beautiful" (Junge Union), "Das sehe ich anders" (Junge Liberale) oder "Wir haben es satt" (Grüne Jugend). Doch immer mehr junge Leute ignorieren diese Slogans. Nur ein Drittel der 16- bis 30-Jährigen findet Politik interessant, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab. So wenige wie seit 20 Jahren nicht. Der Politik geht eine ganze Generation verloren. Was sollen junge Leute also in Parteien - einem Milieu mit dem Charme von Altenheimen?

Viele Gedanken darüber macht sich die CDU. Kein Wunder: Die Junge Union verliert immer mehr Anhänger: 1990 hatte sie noch 200 000 Mitglieder, heute sind es weniger als 115 000. Diana Kinnert erklärt, warum man trotzdem dabei sein sollte: "Weil Politik das Anpacken für das Gemeinwohl ist. Und weil es am Ende des Tages immer noch die Parteien sind, die die Deutungshoheit über den Begriff des Gemeinwesens besitzen."

Kinnert, 24, sprüht nur so vor Tatendrang und Schaffenslust. Seit sieben Jahren ist die bekennende Käppi-Trägerin CDU-Mitglied. Seit vergangenem Jahr sitzt die Wuppertalerin in der Bundeskommission zur Parteireform unter Generalsekretär Peter Tauber. Sein Ziel: mehr Frauen, mehr Migranten und mehr Junge in die Partei zu holen. "Wer möchte, dass sich junge Menschen parteipolitisch engagieren, der muss Strukturen schaffen, die auf die Lebenswirklichkeit junger Menschen zugeschnitten sind. Die Jungen halten sich nicht auf dem jährlichen Schrebergartentreff auf, sondern im urbanen Kulturzentrum", sagt Kinnert.

Am politischen Interesse von Matthi Bolte sind seine Eltern schuld. Sein Vater war in seiner Heimatstadt Bielefeld Kommunalpolitiker - in der FDP. Früh habe er sich mit ihm hitzige Rededuelle geliefert, waren ihm die Grünen doch schon zu Schulzeiten viel sympathischer. "So etwas prägt", sagt Bolte. 2002 trat er in die Partei ein, damals war er 17. Niemand habe ihn dazu aufgefordert. Sein Wunsch: die damalige rot-grüne Regierung gegen den Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber verteidigen. Das hat funktioniert.

Inzwischen sitzt der heute 29-Jährige als Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag, hat sich als netzpolitischer Sprecher einen Namen gemacht. In seiner Partei, der Bolte "keinerlei Star-Allüren" attestiert, ist er selbst schon ein Entscheider. Anstrengend findet er das nicht. Im Gegenteil: Als der Landtag 2011 beschloss, die Studiengebühren von bis zu 500 Euro pro Semester abzuschaffen, hob auch Bolte seine Hand. "Das war ein toller Moment. Es ist ein Privileg, sich für die Rechte und Bedürfnisse der Menschen im Land einzusetzen."

Der gebürtige Oberhausener Frederick Cordes hat sich politisch anders orientiert: Er hat sich für die Jusos entschieden. Cordes steht für Sozialdemokratie in Reinform: Mit 16 Jahren trat er in die Partei ein, sein Vater ist in der SPD, seine Lebensgefährtin sitzt als Genossin im Wuppertaler Stadtrat. Seit dem vergangenen Jahr steht er an der Spitze des größten Landesverbandes, vertritt die Interessen von rund 16 000 Jusos in NRW. Der 29-Jährige widerspricht der Darstellung der ausgegrenzten Jugend. "Das ist eine Frage der Sichtweise", sagt er. Die Jusos seien schließlich als linker Flügel schon in die Partei in NRW direkt eingebunden. Trotz dieser Nähe äußerten sich die Jusos häufig genug kritisch.

Ist Juso-NRW-Chef sein nicht trotzdem ein bisschen wie im Sandkasten spielen, während die großen Jungs Politik machen? "Und wenn schon", sagt Cordes. Der Nachwuchs müsse sich seinen Platz erkämpfen und sich für die junge, keineswegs politikverdrossene Generation einsetzen. Etwa beim Thema Semesterticket für Studenten. Den Preis dafür will der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr um 43 Prozent erhöhen. "Das ist kein zufriedenstellendes Angebot für die Studierenden. Zumal die Tickets für Auszubildende unbedingt günstiger werden müssen", kritisiert Cordes.

Vielen jungen Leuten fehlt Studien zufolge die Zeit, sich fest an eine Partei oder einen Verein zu binden. Durch Bachelor und Master sei der Druck im Studium gestiegen. Die Semesterferien füllten Studierende nicht mehr mit Urlaub, sondern mit Praktika. "Macht bekommt man aber nicht geschenkt", sagt CDU-Frau Kinnert. Politik, Gesellschaft und Ökonomie ließen sich nicht vom Smartphone aus gestalten. Ihr Fazit: weniger meckern, mehr machen.

(RP)
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