Düsseldorf/Rom Die Italiener dominieren das neue Konklave

Düsseldorf/Rom · Dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper könnte eine Schlüsselrolle beim Schmieden neuer Papstwahl-Allianzen zukommen.

Wenn Mitte März die 117 wahlberechtigten Kardinäle in Messgewänder gekleidet zur Wahl eines neuen Papstes in die Sixtinische Kapelle einziehen, erflehen sie im Gesang den Beistand des Heiligen Geistes. Es erklingt der berühmte Choral "Veni creator spiritus", zu deutsch: "Komm, Schöpfer Geist". Die tiefe Symbolik erinnert an das biblische Pfingst-Ereignis, die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel der christlichen Urgemeinde. Das Pfingstereignis gilt als Gründungsdatum einer Kirche, aus der im Laufe der Jahrhunderte die Römische Weltkirche mit Kardinälen aus mittlerweile 50 Ländern, verteilt auf alle Kontinente, geworden ist.

Nun weiß man seit alters her, dass die Annahme, eine höhere Kraft, sprich der Heilige Geist, führe beim Konklave in gewisser Weise Regie, – vorsichtig formuliert – eine Sache des Glaubens ist. Die zwei Jahrtausende alte Geschichte des Papsttums gibt hingegen zahlreiche Belege dafür, dass auch höchst menschliche Interessen – besser: Schwächen – eine Rolle spielten bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger des Apostelfürsten Petrus.

Da diesmal, anders als etwa in der Zeit der Sedisvakanz zwischen dem Tod Johannes Pauls II. am 2. April 2005 und der Wahl Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. siebzehn Tage später keine Aufbahrungs- und Begräbnis-Zeremonien Wahrung von Pietät gebieten, werden am Morgen nach dem Stichtag 28. Februar die einflussreichen und weltweit bestvernetzten Kardinäle Kontakte knüpfen, Überlegungen anstellen, transkontinentale Allianzen knüpfen. Spätestens nach ihrem Eintreffen in Rom werden sie sich bei einem guten Chianti in römischen Trattorien oder am Rande der regelmäßigen Zusammenkünfte vor dem Konklave die Köpfe zerbrechen, wie man den unter Benedikt XVI. wieder vergrößerten Block der italienischen Purpurträger spalten, jedenfalls schwächen könnte.

2005 hatten sich die italienischen Kardinäle, die sich für die geborenen Anwärter auf den Sitz des Bischofs von Rom halten, durch jeweilige Eitelkeiten selbst geschwächt, so dass am Ende nach dem Jahrhundert-Papst aus Polen wieder kein Italiener – etwa die sehr ambitionierten Kardinäle Tettamanzi oder Ruini – auch nur in die Nähe der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit kam.

Sollten die Italiener mit ihren 28 Konklave-Teilnehmern hingegen diesmal anders als vor acht Jahren geschlossen eigene nationalkirchliche Interessen vertreten und zusammenhalten, wäre es nicht einfach, dagegen eine machtvolle Phalanx von Wahlmännern aus Süd- und Nordamerikanern sowie nicht-italienischen Europäern zu stellen.

Da es in einem Monat anders als 1939 bei der Wahl Eugenio Pacellis (Pius XII.) oder 1963 bei der Wahl Giovanni Battista Montinis (Paul VI.) keinen haushohen Favoriten für das Amt des "Summum Pontifex der Heiligen Römischen Kirche" gibt, könnten auf die so genannten "Papstmacher" unter den Kardinälen besonders wichtige Aufgaben zukommen.

Eine Schlüsselrolle könnte der deutsche seit 2010 emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper übernehmen. Kasper (geboren am 5. März 1933) wird zwar zu Beginn des Konklaves 80 Jahre alt sein; er war es aber – und das ist nach den Regeln entscheidend – noch nicht zu Beginn der Sedisvakanz am 28. Februar, 20 Uhr. Deshalb ist er wahlberechtigt. Der schwäbische Theologe, der lange Jahre in der Kurie an der Spitze des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen gestanden hat, ist ein Vertreter des liberal-konservativen Flügels, der willens und in der Lage ist, weit über die Kirche Deutschlands und Europas hinaus zu blicken. Kasper weiß aus eigener Erfahrung auch um die Verkrustungen innerhalb der vatikanischen Zentrale, die auch Merkmale eines Intriganten-Stadls aufweist. Kasper und Seinesgleichen könnten versuchen, ähnlich wie das 2005 mit dem argentinischen Jesuiten Jorge Kardinal Bergoglio (Erzbischof von Buenos Aires) versucht worden war, mit der ersten Wahl eines Nichteuropäers auf den Stuhl Petri ein Aufbruch-Signal zu setzen.

Die lateinamerikanischen Kardinäle, so heißt es, seien allesamt "papabile", papsttauglich; und es sei wirklich an der Zeit, dass der Kontinent, in dem fast die Hälfte der Katholiken lebt, den Papst stellt.

Die Lateinamerikaner haben jedoch das Problem, dass sie ihre Kardinals-Brüder aus Nordamerika, sprich aus Kanada und den USA, wegen kultureller Unterschiede nicht zu den selbstverständlichen Bündnisgenossen bei der Abwehr etwa eines Italieners zählen dürfen. Sollten sich ab Mitte März zwei größere Blöcke gegenseitig blockieren, käme vielleicht am Ende doch ein hoch angesehener Kardinal aus Afrika, beispielsweise der brillante Ghanaer Peter Turcson zum Zuge. 1994, als Joseph Ratzinger noch Kurienkardinal war, hatte er in einem Interview mit dieser Zeitung auf die Frage nach einem möglichen Pontifex aus Schwarzafrika gesagt: "Vielleicht würde die Wahl eines Nichteuropäers einen Schub geben, dass man Vorurteile, die man im Stillen emotional entwickelt, rational zu überwinden lernt."

(RP)
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