Dublin Die Iren müssen erstmals für Wasser zahlen

Dublin · Nach Massenprotesten senkt die Regierung die Gebühren, die künftig auch Privathaushalte belasten.

Die satten Wiesen der Grünen Insel bieten glücklichen Kühen beste Nahrung für ihre Milch. Produkte wie die berühmte Kerrygold-Butter wären ohne den nicht minder berühmten Regen Irlands kaum zu produzieren. Flüsse wie der Shannon wurden von Barden besungen und von Poeten verewigt. Idyllische Kanäle, auf denen einst Guinness-Bier transportiert wurde, sind heute Heimat für Hausboote und Kabinenkreuzer. Wasser, überall Wasser - und doch sehen sich die Iren auf einmal mit Rechnungen für ihr Trinkwasser konfrontiert.

Unternehmen in Irland sind Wassergebühren gewohnt. Für Privathaushalte sind Rechnungen dagegen etwas völlig Neues. Seit die ersten Rechnungen des neuen Versorgungsunternehmens "Irish Water" Anfang April in die Briefkästen flatterten, hagelt es in dessen Call-Center in Cork Beschimpfungen; zurückgesandte Registrierungsschreiben sind zumindest mit Parolen, zuweilen aber auch mit Exkrementen beschmiert. Oft werden Bauarbeiter, die Wasserzähler installieren sollen, behindert, beleidigt und bespuckt. Der Dienstwagen der stellvertretenden Ministerpräsidentin Joan Burton wurde von Demonstranten eingekreist und am Weiterfahren gehindert. Es folgten Beleidigungen, eine Wasserbombe traf die Ministerin am Hals. Kollegen am Kabinettstisch berichteten gar von Morddrohungen.

Die Iren seien brav der Troika und Frau Merkel gefolgt und haben alle Schulden, die die Banker ihnen eingebrockt haben, ohne mit der Wimper zu zucken beglichen, damit Irland den Rettungsschirm verlassen konnte. Nun aber stünden sie im Regen, sagen Sprecher der Protestbewegung Right2Water. "Genug ist genug" und "Can't pay, won't pay" ("Wer nicht bezahlen kann, wird auch nicht zahlen") schreien Tausende von Menschen den Politikern beider Regierungsparteien bei Demonstrationen entgegen. Weder Finanzminister Michael Noonan noch seine Kabinettskollegen haben mit derart heftigen Protesten gerechnet und reagierten prompt.

"Wir haben zugehört", lautete ihre Botschaft nach einer Demonstration in der Hauptstadt Dublin, an der nahezu 100 000 Bürger aus ganz Irland teilgenommen hatten. Waren zuvor Jahrespauschalen um die 500 Euro im Gespräch gewesen, wurden nun Wassergebühren auf 160 Euro für einen Einpersonen-Haushalt sowie 260 Euro (ab zwei Personen) festgesetzt. Wer sich bis zum 30. Juni registriert, erhält eine sogenannte "Wassersparunterstützung" von 100 Euro, so dass im Endeffekt nur 60 beziehungsweise 160 Euro gezahlt werden müssen. Diese Preise bleiben bis zumindest Ende 2018 stabil. Wer bereits einen Wasserzähler installiert hat und Grenzwerte beim Verbrauch nicht überschreitet, kann auch geringere Rechnungen erreichen.

Die ersten Ablesungen der neuen Wasserzähler zeigen, dass viel Wasser im Boden versickert, weil die Leitungen marode sind. Um die Milliarden an Reparaturkosten stemmen zu können, wurde "Irish Water" ins Leben gerufen. Die Organisation ersetzt die ehemaligen Wasserversorger der Gemeinden und wird somit - falls die EU im Juni ein entsprechendes positives Gutachten abgibt - als nichtstaatliches Unternehmen die notwendigen Milliardenkredite aufnehmen können. Kredite, die aufgrund des besonderen Status' dann nicht in der Staatsbilanz auftauchen würden, was dem immer noch hoch verschuldeten Irland sehr gelegen käme.

Bei den jüngsten Demonstrationen gegen die Wassergebühren waren die Reihen der Teilnehmer schon erheblich dünner besetzt. Damit scheint sich die Hoffnung der Regierung zu bestätigen, dass sie bei den nächsten Wahlen im Frühjahr 2016 nicht durch die Wasserproteste aus dem Amt gespült wird.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort