Interview mit Wolfgang Kubicki "Die FDP darf sich nie wieder kleinmachen"

Berlin · Der designierte FDP-Vize geht im Interview mit unserer Redaktion mit der Rösler-Brüderle-Partei hart ins Gericht: "Großmäulig" und "jämmerlich" sei sie gewesen.

Wolfgang Kubicki – seine besten Sprüche
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Foto: dapd, Patrick Sinkel

War das Bundestagswahlergebnis für die FDP einfach, niedrig und gerecht?

Kubicki Es war nicht gerecht, es war niedrig, und einfach zu verarbeiten ist es schon gar nicht. Es ist niederschmetternd, bei 93 Abgeordneten und fünf Ministern von 15 auf unter fünf Prozent zu kommen.

Droht der FDP jetzt das Schicksal der DDR?

Kubicki Nein, die DDR ist zusammengebrochen, weil es keine Zustimmung gab. Die Zustimmung zu den Positionen der FDP ist ja nach wie vor groß: 30 Prozent können sich vorstellen, eine liberale Partei zu wählen. Die FDP muss sich ändern, damit die Wähler aus diesem Potenzial wieder zu uns finden.

Aber bei den Umfragen tut sich nichts. Sie bleiben weit unter fünf Prozent.

Kubicki Da kann ja auch noch nichts geschehen, weil wir erst am Wochenende eine neue Führung bekommen. Der Bundesvorstand ist zurückgetreten, die Minister sind nur noch geschäftsführend im Amt, halten sich mit Äußerungen zurück. Wenn wir uns personell neu aufgestellt haben, gehen mit Sicherheit auch die Umfragewerte wieder rauf.

Es liegt also an der Führung.

Kubicki Es liegt immer auch am Personal: Köpfe transportieren Themen. Die machen die FDP nach außen sichtbar. Dahinter werden sich sicherlich wieder viele Menschen in Deutschland versammeln können.

Wie steht es um Ihre eigene Analyse, die Marke FDP sei in "Generalverschiss" geraten?

Kubicki Das war vor zwei, drei Jahren auch so. Wenn wir bei allen Wahlen unter fünf Prozent landen, dann muss das am Bild der FDP insgesamt liegen. Dieses großmäulige Auftreten, die nicht gehaltenen Versprechen und zum Schluss das jämmerliche Bild, mit mangelnder Souveränität in den Wahlkampf zu gehen, das hat die FDP vielen Menschen verleidet, und das Ergebnis haben wir dann am Wahltag bekommen.

Gäbe es eine gute Fee, die ihnen die Chance gäbe, 2009 mit 15 Prozent neu anzufangen, was würden Sie anders machen?

Kubicki Wir würden unser Verhältnis zur Union anders gestalten und uns nicht mehr auf Prüfaufträge verlassen, durch die unsere Vorhaben auf die lange Bank geschoben werden. Wir würden ganz konkret festlegen, wie zum Beispiel die Steuerreform zu welchen Stichtagen in welchen Schritten umgesetzt wird. Wir waren einfach zu zurückhaltend und haben uns von der Union viel zu viel gefallen lassen. Das hat sich gerächt.

Warum hat es für die FDP in Kiel und in Düsseldorf geklappt, im Bund dagegen nicht?

Kubicki In Schleswig-Holstein hat die CDU aus der Regierung heraus Wahlkampf gegen uns gemacht. Das haben wir aufgegriffen. In NRW hat die CDU eigentlich gar keinen Wahlkampf gemacht. Die Personen Lindner und Kubicki sind schlicht und einfach souveräner aufgetreten, als das die Menschen von unserer Führung in Berlin wahrgenommen haben.

Können Sie sich erklären, warum der historische Rauswurf der FDP aus dem Bundestag mit so viel Häme begleitet wurde?

Kubicki Für Spott hat sich die FDP ja geradezu angeboten, nicht nur bei Satire-Sendungen. Wer martialisch zu liefern verspricht und dann nichts bringt, der lädt zur Häme doch geradezu ein. Zum Schluss hatten wir nur noch eine mitleidheischende Wahlkampfführung. Da konnte das Echo nur entsprechend sein.

Macht ein Lindner schon einen neuen Sommer?

Kubicki Kein Einzelner macht das. Christian Lindner hat aber eine völlig andere Art der Kommunikation, und er wird die FDP ja nicht alleine führen. Die Partei bekommt auch durch eine Reihe kompetenter Frauen ein neues Gesicht und ein anderes Auftreten. Wir haben doch ein gutes Grundsatzprogramm, das müssen wir den Menschen nur anders nahe bringen als in den vergangenen vier Jahren.

Brauchen Sie auch eine Frauenquote, um die FDP für Wählerinnen attraktiver zu machen?

Kubicki Wir brauchen keine Frauenquote, wir brauchen möglichst viele unserer guten Frauen auch in der Parteiführung. Ich denke, das neue Präsidium wird zu mindestens 30 Prozent aus Frauen bestehen. Da sind wir dann weiter als die Dax-Konzerne.

Bleibt für Wahlsieger Westerwelle nur der Weg in die Wüste?

Kubicki Er war nicht nur der Wahlsieger von 2009, ihm hat die FDP viel mehr zu verdanken. Nach wie vor ist er ein begnadeter Redner, der ganze Säle mitreißen kann. Auch als Außenminister hat er sich viel Respekt erworben. Ich wünsche mir, dass er nach seiner angekündigten kontemplativen Phase auch wieder in die Parteiarbeit zurückkehrt. Wir brauchen jede Kraft, um uns auf dem Markt der Meinungen durchzusetzen, ganz besonders Guido Westerwelle.

Braucht die FDP inhaltlich ein neues Mega-Thema?

Kubicki Wir brauchen nicht ein einzelnes Thema, das die Medien mal kurz nach oben spielen. Wir müssen Lösungen für eine Vielzahl von Herausforderungen anbieten. Vermutlich werden die Antworten der großen Koalition auf die wichtigen Fragen nicht ausreichen. Also: Wie gehen wir mit dem Fachkräftemangel durch intelligente Einwanderungspolitik um? Wie lösen wir die Aufstiegsgarantie durch gute Bildung ein? Wie sichern wir den Rechtsstaat in Zeiten von Big Data? Ich bin sicher, dass viele Menschen im Land ein liberales Lebensgefühl haben und selbst gestalten wollen. Das ist der Humus für die Liberalen.

Muss die FDP zur Europawahl nächsten Mai wieder da sein oder haben Sie Zeit bis 2017?

Kubicki Wir haben keine Zeit bis 2017. Nächstes Jahr sind elf Kommunal-, drei Landtags- und die Europawahlen. Jede Wahl ist jetzt eine Nagelprobe für die FDP. Nun gilt: Jeder ist für seine Region selbst verantwortlich, auf "die in Berlin" kann man nicht mehr zeigen, denn die gibt es nicht mehr. Wir müssen möglichst jede Wahl gewinnen, damit nicht der Eindruck entsteht, die FDP habe keine Zukunft.

Was ist Ihre persönliche Mission dabei?

Kubicki Ich bin jetzt 61 Jahre alt, davon 43 Jahre Mitglied der FDP und damit lange genug dabei, um zu wissen, wie sich Wahlen auch wieder gewinnen lassen. Ich will möglichst viele Menschen für den Liberalismus begeistern. Dafür werde ich in den nächsten Jahren meine ganze Kraft einbringen. Die FDP hat in Schleswig-Holstein gezeigt, wie man sich zurückkämpft: Wir dürfen uns nie wieder klein machen. Die FDP muss zu ihren Ideen stehen. Damit können wir zwar nicht alle überzeugen, aber wenn wir diejenigen, die so denken wie wir, an uns binden, dann reicht das allemal aus, um ein zweistelliges Ergebnis erzielen zu können.

Gregor Mayntz führte das Interview

(-may)
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