Kommentar Die falsche Medizin von Doktor Draghi

Mario Draghi hat die Märkte nicht enttäuscht: Für über eine Billion Euro will der EZB-Präsident Anleihen aus Euro-Ländern kaufen. Das ist noch mehr, als die Börsianer erhofft hatten. Entsprechend sprang der Dax auf einen Rekord. Kein Wunder: Billiges Geld heißt, dass Anleger mangels Alternativen noch mehr in Aktien investieren werden. So wie die EZB die Märkte vorbereitet hatte, hätte auch jede andere Entscheidung zum Börsencrash geführt.

In der Sache macht das die Politik nicht richtiger. Draghis Diagnose, der Euro-Zone drohe Deflation, ist falsch. Die niedrige Inflation resultiert aus der strukturellen Wirtschaftskrise im Süden und vor allem aus dem Ölpreis-Verfall. Entsprechend falsch ist die Medizin, die Doktor Draghi nun verschreibt: Er will die Banken über Anleihekäufe dazu bringen, mehr Kredite an Firmen und Verbraucher zu vergeben, und so die Preise hochtreiben.

Die Nebenwirkungen dieser Medizin sind gefährlich, weshalb die Bundesbank sich (wenn auch vergeblich) gegen den Börsen-Liebling gewehrt hat. Dabei geht es weniger um die Frage, ob die EZB verbotene Staatsfinanzierung betreibt. Hier räumt ihr der Europäische Gerichtshof viel Spielraum ein. Doch erstens wird dank der Billionenspritze der Reformeifer in Südeuropa nachlassen, wo man vernünftige Sparauflagen schon jetzt als Spardiktat empfindet. Zweitens drohen an Immobilien- und Aktienmärkten neue Preisblasen. Die frisch gedruckten Billionen müssen schließlich irgendwohin. Drittens wird es dramatisch, falls ein Land wie Italien einst seine Kredite nicht zurückzahlen kann. Formal hat Draghi vorgesorgt, indem er jeweils die nationalen Notenbanken für die Anleihen ihres Landes haften lässt. Doch am Ende sitzen alle in einem Boot und müssen gemeinsam für Fehler der EZB einstehen - die Deutschen entsprechend ihrer Wirtschaftskraft am meisten. Für den historischen Tag der Euro-Geschichte werden (deutsche) Sparer und Steuerzahler noch historisch viel zahlen müssen.

Antje Höning

(RP)
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