Die Erde hat Fieber

Zum Auftakt des 190-Staaten-Treffens warnen die südafrikanischen Gastgeber: Für die armen Länder sei die Eindämmung des Treibhaus-Effekts eine Frage von Leben und Tod.

durban Der Klimawandel ist nach den Worten des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma längst nicht mehr nur ein Umweltthema, sondern "eine ernsthafte Gefahr für die Menschheit, insbesondere für die armen Länder". Es gehe um Leben und Tod, sagte er bei der Eröffnung der 17. UN-Klimakonferenz in Durban. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) dämpfte Hoffnungen auf einen raschen Erfolg. Eine wirksame Begrenzung der Erderwärmung sei nur möglich, wenn sich "alle großen Verschmutzer" beteiligen. "Leider sind die USA, China, Indien und andere Schwellenländer aus politischen oder ökonomischen Gründen dazu nicht oder noch nicht bereit". Das Ziel indes bleibt, die globale Erwärmung bis 2100 auf zwei Grad zu begrenzen. Einen Wert, dessen Folgen man gerade noch bewältigen könnte.

Gibt es bereits Zeichen des Klimawandels?

In den vergangen 100 Jahren ist die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,74 Grad gestiegen. 2010 war je nach Klima-Institut das wärmste oder zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren. Einig ist man sich aber darin, dass die zehn heißesten Jahre alle im Zeitraum zwischen 1998 und 2010 liegen. Auch in Deutschland war nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes das Jahrzehnt von 2000 bis 2009 die wärmste Dekade seit 130 Jahren. Die Fläche des arktischen Eises hat zudem am 8. September ein seit Beginn der Satellitenbeobachtungen neues Minimum mit 4,24 Millionen Quadratkilometern erreicht.

Und wie äußert sich das konkret?

Die gesamte Schadenssumme aus wetterbedingten Naturkatastrophen beläuft sich nach aktuellen Daten des Rückversicherers Munich Re seit 1980 auf 1600 Milliarden Dollar mit stark steigendem Trend in den vergangenen Jahren. Allein durch Extremwetterereignisse sind demnach seit 1980 mehr als 1,4 Millionen Menschen gestorben.

Worum geht es in Durban?

Zwar wurde bereits 1997 das internationale Kyoto-Protokoll verabschiedet, das 2005 in Kraft trat. Es sah vor, dass die Industriestaaten ihre Emissionen bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bei der Umsetzung zeigen sich indes deutliche Unterschiede zwischen den Unterzeichnerstaaten. Davon abgesehen, dass die USA das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben und es für Entwicklungs- und Schwellenländer ohnehin keine Klimaschutz-Ziele vorsah. Der Gipfel in Durban bietet wohl die letzte Chance vor dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012, ein neues Abkommen zumindest in Angriff zu nehmen.

Warum ist ein neues Abkommen so dringend?

Nach einer jüngsten Studie des US-Energieministeriums sind die globalen Kohlendioxidemissionen 2010 mit insgesamt 32 Milliarden Tonnen im Vergleich zum Vorjahr um knapp sechs Prozent vor allem durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas gestiegen.

Und woran scheitert dann eine Einigung?

Knapp die Hälfte des CO2-Zuwachses 2010 ging mit 733 Millionen Tonnen auf das Konto Chinas. Die USA steigerten ihren Ausstoß dagegen "nur" um 220 Millionen Tonnen. Darum aber verlangt man in den Vereinigten Staaten, dass sich zunächst China als größter Emittent zu Klimaschutzzielen bekennen soll – bevor man es selbst tut. In der Volksrepublik argumentiert man indes damit, dass die Pro-Kopf-Emissionen des Landes nur bei 6,2 Tonnen CO2 pro Jahr lag. In den USA dagegen bei 17,72 Tonnen. (Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund zehn Tonnen CO2 pro Einwohner und Jahr.) Für China Grund genug, mit dem Finger vor allem auf die Vereinigten Staaten als Hauptverursacher zu zeigen.

Was erwarten Klimaforscher?

Der Klimaforscher Mojib Latif vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften erhofft sich von Durban sehr wenig. "Konkrete Ergebnisse wird es nicht geben, weil sich die beiden größten CO2-Sünder, China und die USA, nicht einigen können." Auch der Physiker Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung glaubt nicht, dass es in Durban "den großen Durchbruch geben wird, den der Klimaschutz dringend benötigen würde". Und das wäre ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll. "Oder andere verbindliche Absprachen zur Senkung der Treibhausemissionen", so Latif weiter. Auch bei der Munich Re schätzt man die Wahrscheinlichkeit, dass Durban zu einem Klimaschutzabkommen führen wird, bei annähernd null ein.

Wie viel Zeit bleibt noch?

Selbst wenn man sofort alle klimaschädlichen Emissionen stoppen würde, müsste bis 2100 mit einem Temperatur-Anstieg um bis zu 1,4 Grad gerechnet werden. Dafür halten sich die Klimagase CO2 und Methan zu lange in der Atmosphäre. Die Frage ist darum nur noch, welche Erwärmung man in Kauf nehmen möchte. Mit den gegenwärtigen Absichtserklärungen wird es zu einer Erwärmung um drei Grad kommen, so die Analyse der Munich Re. Völlig ungebremst indes kann sie bei fünf bis sechs Grad liegen. Das Zwei-Grad-Ziel aber "ist inzwischen nur noch in der besten aller Welten zu schaffen", sagt Latif. "Dazu müsste sich der weltweite Treibhausgasausstoß 2050 gegenüber 1990 halbieren und bis 2100 praktisch auf null sinken." Forscher wie Stefan Rahmstorf sind etwas optimistischer: "Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen." Doch alles steht und fällt mit der Bereitschaft der Staaten, ihren Ausstoß an Klimagasen zu senken. "Es fehlt allein am politischen Willen", so Rahmstorf.

(RP)
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