Sachsens Ministerpräsident Tillich im Interview "Die Energiewende macht mir Sorgen"

Dresden · Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ist nicht immer auf einer Linie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Vor allem beim Thema Energiewende sieht er Nachbesserungsbedarf. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht er über eine Reform der EEG, seine Meinung zur Homo-Ehe und fordert einen Regionalpakt.

Das ist Stanislaw Tillich
7 Bilder

Das ist Stanislaw Tillich

7 Bilder
Foto: dpa, skh pil

Erst Ja, dann Nein zur Zuschussrente. Mindestlohn oder Lohnuntergrenze. Homo-Ehe, ja oder Nein. Wissen Sie, wohin Ihre Parteivorsitzende will?

Tillich: Natürlich. Wir haben am Montag den klaren Parteitagsbeschluss bekräftigt, dass wir keine steuerliche Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe wollen. Das gilt. Die Institution Ehe ist besonders geschützt. Die Diskussion in der Partei in den vergangenen Tagen war vielleicht nicht besonders hilfreich. Und Themen wie die Zuschussrente und Lohnuntergrenzen werden durch die gesellschaftlichen Entwicklungen auf die Tagesordnung der Politik gesetzt. Dem stellen wir uns.

Die Kehrtwenden machen Sie nicht schwindelig?

Tillich: Die Kanzlerin hat doch jetzt ein Machtwort gesprochen. Und nicht jede Positionsveränderung ist gleich eine Kehrtwende.

Sie sind Katholik. Halten Sie die Gleichstellung der Homo-Partnerschaft mit der Ehe für richtig?

Tillich: Nein. Wir müssen deutlich machen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften keine Ehen sind. Selbst Rot-Grün bezeichnet sie ja auch nicht so. Das gilt dann auch für die politischen Antworten. Das Grundgesetz schützt die Ehe als Kernbereich der Familie. Für mich persönlich besteht die Familie aus Mutter, Vater und idealerweise Kindern. Gleichwohl begrüße ich es, wenn in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft der eine Partner für den anderen Verantwortung übernimmt.

Wo widersprechen Sie der Kanzlerin?

Tillich: Ich führe immer wieder mit der Kanzlerin und der Bundesregierung kritische Diskussionen. Die führe ich aber nicht öffentlich. So war das etwa bei den Verhandlungen zur Übernahme der Grundsicherung durch den Bund oder beim Fiskalpakt. Derzeit macht mir die Energiewende Sorgen.

Warum?

Tillich: Es fehlt Investitionssicherheit für Betreiber von konventionellen Kraftwerken und es fehlt eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern. Nicht in jeder Region lässt sich Photovoltaik oder Windenergie gleich effektiv produzieren. Außerdem gefährdet der Strompreisanstieg durch die steigende EEG-Umlage die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Wir brauchen mehr Wettbewerbsfähigkeit bei den erneuerbaren Energien. Bundesregierung und Opposition sollten sich rasch auf einen Mix aus Sofortmaßnahmen und langfristigen Maßnahmen verständigen, zum Beispiel über eine Deckelung der Fördersätze für Neuanlagen sowie eine Absenkung der Stromsteuer. Die Förderung der erneuerbaren Engergien muss von einem Anreiz zu einem marktwirtschaftlichen Modell umgebaut werden. Unser Vorschlag ist das Quotenmodell. Jede Woche, die vergeht ohne grundlegende Reform des EEG, kommt uns die nächsten Jahre teuer zu stehen.

Sachsen hat erneut einen Doppelhaushalt ohne neue Schulden vorgelegt. Warum kommen sie mit ihrem Geld aus, andere Bundesländer nicht?

Tillich: In Übereinstimmung mit den Bürgern setzen wir Prioritäten setzen und folgen einem einfachen Grundsatz:. Wir geben nicht mehr aus, als wir einnehmen. Wir haben jetzt erstmals den Kommunen fünf Milliarden Euro, ein Drittel des Haushalts, überweisen können. Das fußt auf dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz, den wir vor 20 Jahren mit den Kommunen geschlossen haben. Steuerminder- oder Steuermehreinnahmen werden jeweils zur Hälfte zwischen Land und Kommunen aufgeteilt. Das zahlt sich jetzt aus.

Das wäre bundesweit umsetzbar?

Tillich: Natürlich könnten das auch andere Länder mit ihren Kommunen verabreden. Unser früherer Finanzminister Georg Milbradt hat das hier eingeführt. Der war bekanntlich Kämmerer in Münster. Haushaltspolitik ist eine Frage der Prioritätensetzung. Wer sagt, man müsse sich für Bildungsinvestitionen verschulden, redet Unfug.

Sie haben Investitionen und Sozialausgaben gekürzt.

Tillich: Auch, ja. Wir haben deutlich gemacht, dass Verschuldung eine Sünde gegenüber den nächsten Generationen ist. Diese Auffassung teilen in Sachsen die meisten Menschen. Außerdem haben wir gezielt gekürzt, nicht mit dem Rasenmäher. Der Satz, den ich auch aus NRW immer höre, der Staat habe nur ein Einnahmeproblem, macht es sich sehr einfach und ist ein Griff in den Geldbeutel der Bürger.

Sie wollen ein striktes Neuverschuldungsverbot in die Landesverfassung schreiben. Muss auch der Bund die Schuldenbremse nachschärfen?

Tillich: Alle Parteien im Sächsischen Landtag, sogar ein Teil der Linken, wollen das Komplettverbot einer Neuverschuldung. Das zeigt ja, wie parteiübergreifend das Thema ist. Die Schuldenbremse im Bund ist ein guter erster Schritt. Wir haben in Sachsen ein rigides Neuverschuldungsverbot, das nur bei extremen Naturkatastrophen und bei gravierenden Konjunktureinbrüchen eine Ausnahme vorsieht. Über jede weitere Konsolidierung, die der Bund anstrebt, freue ich mich natürlich.

Sachsen profitiert von den Solidarpaktmitteln. Dieser läuft 2019 aus. Was kommt dann?

Tillich: Der Aufholprozess der ostdeutschen Länder wird noch Jahre dauern. Alleine die Produktivität der sächsischen Wirtschaft liegt 20 Prozent unterhalb des Niveaus in den westdeutschen Ländern. Deshalb werden wir noch auf den Länderfinanzausgleich aber nicht mehr auf den Solidarpakt angewiesen sein. Dafür müssen wir die eigene Wirtschaft stärken. Mein Wunsch ist es, dass bis 2025 ein sächsisches Unternehmen ein Dax-Unternehmen ist.

Aber der Solidarpakt soll nicht fortgeführt werden?

Tillich: Nein, was wir nach 2019 brauchen, ist eher ein Regionalpakt, der unabhängig von Himmelsrichtungen gezielt strukturschwache Regionen fördert. Egal, ob diese in NRW liegen oder in Mecklenburg-Vorpommern.

Bayern und Hessen klagen gegen den Länderfinanzausgleich. Wird es nach der Bundestagswahl eine neue Föderalismuskommission geben?

Tillich: Das Instrument der Klage halte ich für falsch, weil es Verhandlungen blockiert. Aber es ist unbestritten, dass es eine Neuordnung der Finanzausgleichssysteme zwischen Bund und Ländern, aber auch Ländern und Kommunen geben muss. Wir brauchen mehr Finanzautonomie und Eigenverantwortung für die Länder. Es kann nicht sein, dass mit den Anstrengungen des einen, die Wohltaten des anderen Bundeslandes finanziert werden.

Viele CDU-Ministerpräsidenten gibt es nicht mehr. Reizt Sie die Bundespolitik?

Tillich: Ich fühle mich in Sachsen sehr wohl. Zumal sich das Land gut entwickelt. Es ist ein bisschen wie im Fußball. Man muss nicht immer der Top-Favorit sein, unbeobachtet kann man für Überraschungen sorgen und das gelingt Sachsen.

Das Gespräch führte Michael Bröcker.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort