Die eingebildete Weltstadt

Mit einer teuren Marken-Initiative will sich die Millionenmetropole ein neues Image geben – jenseits von Kirche, Karneval und Kölsch. Doch die vielbesungene Stadt bleibt im Mittelmaß stecken.

Köln Von hier oben sieht Köln wie eine Weltstadt aus. Der ovale, 103 Meter hohe Turm der Rheinischen Versorgungskasse erhebt sich direkt vor dem Panoramafenster, etwas links davon das noch unfertige Hochhaus maxCologne, der neue Sitz des Chemiekonzerns Lanxess, zwischen den Gebäuden die Sichtachse auf Rhein, Altstadt-Panorama und Dom. Kölns neue Wirtschaftsdezernentin Ute Berg schaut darauf täglich von ihrem Büro im Technischen Rathaus. "Die Sicht auf die City von Köln ist toll. Hier zeigt sich das Herz der Metropole", sagt Berg.

Das Büro der alerten Mittfünfzigerin ist mit Bedacht gewählt. Investoren, Wissenschaftler oder Touristik-Experten sollen gleich den richtigen Eindruck von der Domstadt erhalten, die seit jeher mehr sein will als nur Zentrum für Karneval, Kirchen und Kölsch.

Der Sozialdemokratin Berg reicht dieser Eindruck natürlich nicht. Erst kürzlich hat sie einen umfassenden Prozess angestoßen. Die Wirtschaftsförderin will wissen, worin die Vorzüge des Standorts bestehen. Weil aber für die Rheinländer das Beste gerade gut genug ist, hat die Stadt die renommierte Agentur Brandmeyer für ihre neue Imagepflege ausgewählt. "Wir haben den Markenpapst für Köln beauftragt", meint Berg. Der soll jetzt bei den Entscheidern der Stadt und 300 ausgewählten Meinungsbildnern draußen in der Welt herausfinden, wie Köln ankommt. Ist die Stadt am Rhein wirklich mehr als Karneval und Klüngel, Dom und FC?

Es sieht nicht so aus. Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas war kläglich gescheitert, weil der Stadtführung nichts anderes einfiel als die bekannten Abziehbilder. Beim Antrittsbesuch von Oberbürgermeister Jürgen Roters in der neuen Partnerstadt Peking prägten Pappnas und Funkenmariechen den Auftritt der Kölner. Die Chinesen waren entzückt, mit Direktinvestitionen in der Domstadt halten sie sich aber zurück.

Szenenwechsel. In einem Düsseldorfer Bistro spricht die Kommunikationschefin der Landeshauptstadt, Natalia Fedossenko, über die benachbarte Millionenstadt am Rhein: "Ich fahre gern nach Köln, um dort den Flair bestimmter Innenstadt-Viertel zu genießen." Aber: "Überraschendes, Inspirierendes kommt selten aus Köln."

Die freundlich-herablassende Einschätzung des vermeintlich erfolgreicheren Nachbarn ist nicht ganz falsch. Tatsächlich produziert die Stadt, die sich in ihren anrührenden Karnevalsliedern gern für den Mittelpunkt der Welt hält, viel Durchschnitt. Kaum eine Ausstellung Kölns fand Eingang in die Feuilletons der großen überregionalen Blätter. Auch in der Musik ist Ungewöhnliches aus der Domstadt eher die Ausnahme.

Andererseits boomt Köln: Die Zahl der Firmengründungen pro 10 000 Einwohner liegt in NRW nur noch in der Landeshauptstadt höher. Und in den nächsten 15 Jahren soll die Zahl der Einwohner auf 1,1 Millionen zulegen, schätzt das NRW-Statistikamt. Damit gehört Köln zu den vier am schnellsten wachsenden Großstädten Deutschlands.

Doch Quantität ist nicht gleich Qualität. Bei fast allen Städterankings findet sich die Domstadt im grauen Mittelfeld. Im jüngsten Vergleich der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ausgeführt vom in Köln ansässigen Wirtschaftsinstitut IW Consult, erreicht Köln unter den 50 größten deutschen Städte nur den 20. Platz. Wird die Dynamik untersucht, landet Köln sogar auf Rang 41. Ähnlich schneidet die Stadt bei anderen Studien ab. Egal ob die Innovationskraft, die internationale Verflechtung oder die Zahl renommierter Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer oder Architekturbüros bewertet wird, Köln rangiert stets hinter Städten wie Frankfurt, München, Hamburg, Berlin oder Stuttgart. Auch der ewige rheinische Rivale Düsseldorf steht oft besser da als Köln.

Was fehlt in Köln, ist der Schwung. "Köln, die Schneckenstadt", titelte unlängst der "Kölner Stadt-Anzeiger". Ob Prestige-Objekte wie Godorfer Hafen, Ebertplatz oder der Rheinboulevard – alles dauert länger oder wird teurer oder gleich beides.

Ähnlich verhält es sich mit dem Entwicklungsplan für Köln. Der renommierte Stadtplaner Albert Speer hatte auf Anregung des Kölner Unternehmerverbands einen ambitionierten Masterplan für die Domstadt entwickelt. Er könnte der Stadt an markanten Stellen das Weltstadt-Image geben, auf das sich die Kölner so viel einbilden. Der Kölner Stadtrat hat den Speer-Plan auch zur Grundlage der urbanen Entwicklung gemacht. Doch im Klein-Klein der Umsetzung verlässt die Stadtverantwortlichen der Mut. Von 16 Leitprojekten geht die Stadt gerade einmal drei ernsthaft an. Nicht dabei ist der ewige Schandfleck der Stadt am Ostende des Doms, wo ein Gewirr von Straßentunnel und hässlichen Gehwegen den ersten Eindruck der Reisenden prägt, die vom Hauptbahnhof kommen.

Dabei ist Köln ein Schmuckstück für Stadtplaner. Wer aufmerksam durch Köln wandert, stößt immer wieder auf unerwartete Sichtachsen zum Dom, zu den Brücken oder anderen markanten Gebäuden. Doch dazwischen hat sich so viel an hässlicher Nutzarchitektur breitgemacht, dass die Stadt als wenig ansehnlich bekannt ist.

Die Kölner stört es nicht. Im Gegensatz zu Düsseldorf hat eine grundlegende Sanierung der Finanzen niemals stattgefunden. Deshalb fehlt auch das Geld für eine wirkliche Wende. Dafür verschlingen Projekte wie der umstrittene U-Bahn-Bau oder die neue archäologische Zone die für einen Umbau notwendigen Mittel.

Wirtschaftsdezernentin Berg lässt sich von der Vergangenheit nicht schrecken. Sie sieht lieber dahin, wo sich auch in Köln etwas bewegt. Etwa auf die neue Messe-City in Deutz. Dort soll auf einem 5,4 Hektar großen Gelände ein Büroquartier entstehen, das 5000 neue Jobs schafft. "Das gibt dem rechtsrheinischen Köln eine ganz neue Perspektive", erläutert die kommunale Top-Beamtin stolz. Ganz neu ist das Projekt freilich nicht. Die ersten Pläne liegen 18 Jahre zurück. Aber an großen Plänen gibt es in Köln nie Mangel.

(RP)
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