Analyse Die CDU bleibt eine Provinz-Partei

Berlin · Große Städte sind traditionell ein schwieriges Pflaster für die CDU. Mit einem zehnseitigen Papier, in dem die CDU munter mal rechts, mal links, mal grün blinkt, wollen die Christdemokraten die Städter von sich überzeugen.

Wer den Beschlussentwurf der CDU für ihre Vorstandsklausur heute in Hamburg liest, blättert zwischendrin mal aufs Titelblatt, nur um sich zu versichern, nicht doch einen Beschluss der Fraktionsklausuren von SPD oder Grünen erwischt zu haben. Beispielsweise macht sich die CDU die Mietpreisbremse zu eigen. Sie war von der SPD in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt worden. In dem zehnseitigen Hamburger Beschlussentwurf, der unserer Zeitung vorliegt, heißt es: "Mit der Mietpreisbremse verhindern wir Auswüchse bei der Mietpreisgestaltung."

Doch die CDU kann nicht nur sozialdemokratisch, sie kann auch grün. Eine Seite weiter steht: "Wir wollen den kommunalen Umwelt- und Klimaschutz stärken. Unser Ziel ist die CO2-neutrale, energie- und klimaangepasste Stadt."

Mit dem Papier, das heute in Hamburg bei der Vorstandsklausur verabschiedet werden soll, läutet die CDU die beiden kleinen Wahlkämpfe für dieses Jahr ein. Am 15. Februar wählen die Hamburger eine neue Bürgerschaft, am 10. Mai sind die Bremer zum Urnengang aufgefordert.

Großstädte sind für die CDU traditionell ein schwieriges Pflaster. Die Bürgerlichen in den großen Städten fühlen sich häufig eher zu den Grünen hingezogen. Dort, wo es noch eine Arbeitertradition gibt, wie etwa im Ruhrgebiet, macht man sein Kreuz im Zweifel weiter bei der SPD. Mit dem Hamburger Papier versucht die CDU den Spagat, auf der einen Seite mit Mietpreisbremse und grüner Stadt die Klientel von SPD und Grünen einzusammeln, und auf der anderen Seite auch den angestammten Wählern einen Grund zu geben, zur Wahl zu gehen.

Für sie verspricht die CDU mehr Sicherheit in den Städten. "Um Gewalt und Diebstähle abzuwehren sowie Anschläge und andere Straftaten erfolgreich aufzuklären, wollen wir den Einsatz von Videokameras an Kriminalitätsbrenn- und Gefahrenpunkten, wie etwa an Bahnhöfen, verstärken", heißt es in dem Papier. Eine solche Formulierung darf auch als Kampfansage an die Alternative für Deutschland (AfD) verstanden werden, die bei den vergangenen drei Landtagswahlen in Sachsen, in Thüringen und in Brandenburg in die Parlamente einziehen konnte. In Thüringen kostete der Triumph der AfD die CDU das Amt der Ministerpräsidentin.

Auch in der Verkehrspolitik setzt sich die CDU in ihrem Großstadt-Papier zumindest teilweise von Grünen und SPD ab. "Eine Verkehrspolitik, die sich einseitig gegen das Auto wendet, lehnen wir ab", heißt es. Vielmehr will die Partei in den großen Städten die "grüne Welle" für Autos durchsetzen und auf "ideologisch bedingten teuren Rück- oder Umbau leistungsfähiger Straßen" verzichten. Doch wie so oft sagt die CDU auch beim Verkehr "sowohl als auch", schmeichelt den Autofahrern und spricht sich zugleich dafür aus, Fahrradfahren und Car-Sharing attraktiver zu machen.

In Hamburg steht die CDU einer SPD-Alleinregierung gegenüber. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz wird seine absolute Mehrheit wohl nicht halten können, liegt in Umfragen aber immer noch deutlich über 40 Prozent und könnte mit den Grünen eine komfortable Mehrheit bekommen. Selbst ein Einzug der AfD in die Bürgerschaft könnte Rot-Grün nicht die Mehrheit kosten. Die CDU schafft es den Prognosen zufolge an der Alster gerade mal auf 22 bis 24 Prozent. Eine Straßenumfrage der "Hamburger Morgenpost" mit einem großen Foto des CDU-Spitzenkandidaten Dietrich Wersich führte zu dem ernüchternden Ergebnis, dass nur jeder dritte Passant ihn erkannte. Nun tourt der studierte Mediziner mit einem Oldtimer-Doppeldecker-Bus durch die Stadt, um sich bekannt zu machen. Er hat sich das Thema Sicherheitspolitik auf die Fahnen geschrieben - ein Dauerbrenner in Hamburg.

Die Bremer CDU geht mit der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Motschmann als Spitzenkandidatin in die Bürgerschaftswahl - auch kein Name mit bundespolitischer Strahlkraft. Sie arbeitete früher als Journalistin und war Staatsrätin in Bremen. Sie gehörte zu den frühen Unterstützerinnen für eine Frauenquote in der Wirtschaft. Auch sie hat kaum eine Chance auf das Bürgermeisteramt. Der amtierende SPD-Mann Jens Böhrnsen sitzt im traditionell roten Bremen fest im Sattel. Ein regionaler Radiosender kommentierte, Motschmanns Kandidatur sei "ein Witz". Die CDU in Bremen liegt in Umfragen etwas über 20 Prozent, und Motschmann hat wohl auch keine Ambitionen, als Oppositionsführerin nach Bremen zu gehen und dafür ihr Bundestagsmandat aufzugeben.

Die CDU steckt in der kuriosen Lage, dass sie im Bund, insbesondere wegen der Beliebtheit der Kanzlerin, stabil über 40 Prozent liegt, in den Städten und Ländern aber stetig an Boden verliert. CDU-Ministerpräsidenten gibt es nur noch in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und im Saarland. Nicht nur die Stadtstaaten, auch die großen Städte wie München, Köln, Dortmund und Düsseldorf werden von der SPD regiert. In Stuttgart hat es mit Fritz Kuhn sogar ein Grüner geschafft, der CDU die Macht zu entreißen.

"Die CDU muss die Vielfalt in der Stadt widerspiegeln und die richtigen Themen setzen", sagt CDU-Landeschef Armin Laschet. Seine NRW-CDU hat an dem neuen Großstadtpapier der Partei eifrig mitgeschrieben. Es trägt auch die Handschrift des Essener Oberbürgermeister-Kandidaten Thomas Kufen. Zu den wichtigen Themen gehört aus Laschets Sicht "die digitale Vernetzung etwa im Bereich der Mobilität, eine kreative Integrationspolitik und eine moderne Stadtplanung für Alt und Jung". Zugleich meint er, Großstädte bräuchten aber auch Antworten auf klassische Fragen der Wirtschaftsförderung und der öffentlichen Sicherheit auf Plätzen und in den U-Bahnen.

(qua)
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