Flüchtlingspolitik Zwischen Seehofer und Stamp knirscht es

Düsseldorf/Berlin · Anders als geplant ist Bundesinnenminister Seehofer nicht nach Düsseldorf gekommen, um mit NRW-Flüchtlingsminister Stamp über Fragen der Migration zu sprechen. Die Opposition kritisiert das. Gerade jetzt hätten sich beide der Öffentlichkeit stellen sollen, sagt sie.

Aufgrund aktuell unüberbrückbarer Differenzen ist das geplante Spitzengespräch zu Migrationsthemen zwischen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) am Dienstag geplatzt. Bei den Vorbereitungen des in Düsseldorf geplanten Treffens seien auf Arbeitsebene zahlreiche Fragen offengeblieben, teilte das NRW-Ministerium mit. Das Gespräch zwischen den Ministern solle im Spätsommer nachgeholt werden.

Die Absage wirft die Klärung offener Punkte zwischen Bund und Land in Fragen der Migration zurück. So sollte über regelmäßige Migrationsgipfel zwischen Bund, Ländern und Kommunen gesprochen werden. Auch wollten die beiden Minister in Fragen von Asyl, Flucht und Integration der Bleibeberechtigten entscheidend vorankommen und über Eckpunkte eines möglichen Einwanderungsgesetzes sprechen. Gleichzeitig sollte es um eine grundsätzliche Reform der Integrationskurse gehen. In keinem dieser Punkte habe es eine Basis für gemeinsame Gespräche gegeben. „Zu den dafür notwendigen Übereinkünften im Vorfeld ist es leider nicht gekommen“, bedauerte Stamp.

Um in der Sache voranzukommen, so Stamp, habe er am Dienstag einen Erlass auf den Weg gebracht, der die Ausländerbehörden dazu auffordert, Integrationsleistungen von Flüchtlingen stärker zu würdigen als bisher. Ziel sei es, gut Integrierten, die über einen Job verfügen oder die Sprache gut beherrschten, Bleibeperspektiven zu ermöglichen.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte am Dienstag: „Die Absage des Besuchs hat nichts mit Sami A. zu tun.“ Die SPD-Opposition im Landtag sieht das anders: „Wann, wenn nicht jetzt, hätte es Anlass gegeben, dass sich Seehofer und Stamp gemeinsam den dringenden Fragen der Öffentlichkeit stellen?“ Sami A, ein mutmaßlicher ehemaliger Leibwächter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden, wird als Gefährder eingestuft. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstagabend entschieden, dass er weiterhin nicht abgeschoben werden dürfe, weil nicht auszuschließen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe. Jedoch übermittelte es den Beschluss erst am Freitagmorgen, als das Flugzeug mit Sami A. schon in Düsseldorf abgehoben hatte. Den gerichtlichen Rückholbeschluss will NRW nicht akzeptieren.

Stamp, der am Montag bekräftigt hatte, dass sein Ministerium bei der Abschiebung nach Recht und Gesetz gehandelt habe, erhielt am Dienstag Rückendeckung aus Berlin: Der FDP-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Marco Buschmann, nahm den NRW-Minister gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen in Schutz: Stamp habe „schlicht seine Pflicht getan“ und im Rahmen von Recht und Gesetz gehandelt. Grünen-Chef Robert Habeck hielt dagegen. Es sei für ihn „extrem fragwürdig“, wenn jemand abgeschoben worden sei, „obwohl klar war, dass das Verwaltungsgericht noch über die Rechtmäßigkeit entscheidet“.

.Über einen Untersuchungsausschuss zu dem Fall zu spekulieren, sei noch zu früh, aber Stamp müsse zügig Klarheit schaffen, sagte Sarah Philipp, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Landtag. Zusammen mit den Grünen setzten die Sozialdemokraten eine Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag durch, die am Freitag stattfinden soll.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort