Die neue Doppelspitze der Linken Zwei Lafontaine-Getreue sollen es richten

Düsseldorf (RPO). Bis um halb vier in der Nacht sollen die Parteispitzen der Linken auf der Suche nach einer neuen Führung gerungen haben. Dann stand fest: Vize Klaus Ernst und Haushaltspolitikerin Gesine Lötzsch sollen Oskar Lafontaine und Lothar Bisky beerben. Die Personalentscheidung offenbart die massiven Probleme einer immer noch tief zerrissenen Partei.

Das Spitzenpersonal der Linken 2010
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Am Ende war es ein doppelter Kompromiss. Ohne Proporz geht in der zerstrittenen Partei nichts. Ernst vertritt den Westen und die Männer, Lötzsch den Osten und die Frauen. Einen entsprechenden Vorschlag werde der Vorstand dem Parteitag in Rostock machen, sagte Fraktionschef Gregor Gysi am Dienstag in Berlin. Zuvor hatte er sich mit den Spitzen der Landesverbände auf das Duo verständigt. Doch die beiden stehen nicht nur für Ost und West - haben auch etwas gemeinsam: Sie gelten als Vertraute von Oskar Lafontaine.

Das aber gibt der Linken nur weiteren Anlass zum Streiten. Dass sich die Flügel beim nächtlichen Berliner Spitzentreffen überhaupt auf zwei Kandidaten einigen konnten, die im Mai als neue Vorsitzende kandidieren sollen, ist wohl nur den wichtigen Wahlen in NRW geschuldet, bei denen die Linke um den Einzug in den Landtag kämpft.

Wagenknecht in der zweiten Reihe

Auch das Amt des Bundesgeschäftsführers, das derzeit noch Dietmar Bartsch innehat, soll bei dem Parteitag doppelt besetzt werden. Kandidaten sind Caren Lay und Werner Dreibus. Als stellvertretende Vorsitzende werden den Delegierten lautt Gysi Katja Kipping, Halina Wawzyniak, Sahrah Wagenkecht und Heinz Birnbaum vorgeschlagen, sagte Gysi weiter.

Wer aber sind die zwei, die nun die aus PDS (Osten) und WASG (Westen) zusammengekittete Partei wieder auf Kurs bringen sollen? Zuvor hatten die Querelen um den erkrankten Oskar Lafontaine bei der Linken eine politische Krise ausgelöst.

Aus der SPD rausgeworfen

Zumindest der Westler, der 55-jährige Parteivize Klaus Ernst, hat in der Bundespolitik Spuren hinterlassen: Er war Mitbegründer der WASG. Die aus Gewerkschaftern und enttäuschten SPD-Mitgliedern hervorgegangene Wählergemeinschaft hatte den etablierten Parteien im Westen nach ihrer Gründung im Jahr 2004 vorübergehend mächtig Dampf gemacht, bevor sie sich 2007 mit der ostdeutschen PDS zusammentat. Damals, auf dem Gründungsparteitag der Linkspartei, wurde Ernst zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt.

Der 55-Jährige gilt als humoriger Typ, der aus seiner Zeit im Dienste der IG Metall auch Erfahrungen im politischen Nahkampf vorweisen kann. Der Schweinfurter Bundestagsabgeordnete ist einer der wenigen West-Linken, die auch in den mächtigen Ost-Landesverbänden der ehemaligen PDS vermittelbar sind. Mehrmals organisierte Ernst Protestkundgebungen gegen die Politik der rot-grünen Bundesregierung und wurde 2004 aus der SPD ausgeschlossen.

Ernst holte Lafontaine

Seine Streitlust hat er mitgenommen in die neue Partei: Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sieht sich Ernst in seinem Landesverband in Bayern massiver Kritik ausgesetzt. Auch die bayerischen Linken gelten demnach als hoffnungslos zerstrittener Haufen. Bisher soll Ernst dort bei internen Abstimmungen regelmäßig miserable Werte eingefahren haben. Mit politischen Projekten ist sein Name weniger verbunden als mit dem Projekt Oskar. So war Ernst entscheidend daran beteiligt, den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Lafontaine zu Linken zu lotsen.

An seiner Seite steht mit Gesine Lötzsch (48) ebenfalls ein Urgestein aus Gründerzeiten. Wie auch Ernst ist sie in der Heimat aber nicht unumstritten. Vielen ist ihre enge Bindung an Oskar Lafontaine nicht geheuer. Die Vorstellung, dass die neue Führung aus zwei Personen besteht, die den wenig kompromissfreundlichen Kurs Lafontaines fortsetzen, weckt Misstrauen. Lötzsch sei zwar eine Integrationsfigur, aber zu wenig profiliert, zitiert die Frankfurter Rundschau ein Führungsmitglied aus der Partei. Sie sei die politisch bequemste Ossi-Frau, die man nehmen könnte. Sie gilt als trockener Typ, besonnen und prinzipientreu. Respekt erwarb sie sich, als sie von 2002 bis 2005 sie allein mit Petra Pau die PDS im Bundestag vertrat.

Kandidaten aus der zweiten Reihe

Fest steht: Ernst und Lötzsch müssen sich schon vor ihrer Kandidatur gegen Widerstände behaupten. Beide haben der Makel der zweiten Wahl. Denn es ist kein Geheimnis in der Linken, dass man lieber einen anderen an der Spitze der Partei sehen würde. Gregor Gysi ist wohl der einzige, der sowohl bundespolitische Strahlkraft besitzt als auch West und Ost zusammenschweißen kann. Aber der Fraktionschef will nicht. Er ist gesundheitlich angeschlagen. Andere Partei-Promis wie etwa Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau oder Dagmar Enkelmann zogen vorsorglich den Kopf ein. So sieht sich die Partei gezwungen, entgegen den ursprünglichen Plänen doch noch mal einer Doppelspitze zu vertrauen. Damit sollte 2010 als Zeichen des Zusammenwachsens eigentlich Schluss sein.

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