"Wir holen keine Terroristen ins Land" Zwei Guantanamo-Häftlinge nach Deutschland

Berlin (RPO). Deutschland wird zwei ehemalige Terrorverdächtige aus Syrien und Palästina aufnehmen, die fast neun Jahre im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftiert waren. Die beiden Araber würden als ungefährlich eingestuft, teilte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) am Mittwoch mit. Sie würden von Hamburg und Rheinland-Pfalz aufgenommen.

Guantanamo-Ersatz in Illinois
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Der Entscheidung war eine mehrmonatige Prüfung vorangegangen, ob von den Männern eine Gefährdung der Sicherheit ausgehen könnte. "Wir werden keine Terroristen ins Land holen", sagte de Maiziere. Die Aufnahme eines dritten von den USA vorgeschlagenen Häftlings lehnte er ab. Dies gelte auch für die Zukunft: "Weitere Aufnahmen in Deutschland wird es nicht geben."

In zahlreichen Bundesländern hatte es in den vergangenen Monaten Vorbehalte gegen eine Aufnahme von Insassen des Gefangenenlagers gegeben, das die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in dem Militärstützpunkt auf Kuba eingerichtet hatten. Zeitweise wurden dort etwa 780 Menschen ohne rechtsstaatliches Verfahren gefangengehalten.

Eine neue Lebenschance

De Maiziere begründete die Entscheidung mit humanitären Aspekten, Sicherheitsinteressen Deutschlands und der Einschätzung des Gefangenenlagers an sich. Die Bundesregierung unterstütze damit die Bemühungen um eine Schließung des Lagers. Die USA hätten Ende vorigen Jahres um die Aufnahme von drei Männern aus Palästina und Syrien gebeten. Den Dritten habe er aus Sicherheitserwägungen abgelehnt.

Mit der Ankunft der beiden Araber in Deutschland sei in "einigen Wochen" zu rechnen, sagte de Maiziere. Details würden nicht veröffentlicht, da sie die Chance auf einen Neuanfang in einem nichtöffentlichen Umfeld haben sollten. "Ihnen wird eine neue Lebenschance eröffnet, ohne die Sicherheitsbelange der Bevölkerung zu tangieren", sagte de Maiziere. Beide hätten keinerlei Bezüge zu Deutschland und sprächen nur Arabisch.

Der Minister ließ durchblicken, dass der Bewegungsspielraum der Männer zunächst eingeschränkt werden könnte. Wichtiger als solche rechtlichen Fragen sei ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Beide seien gezeichnet durch Persönlichkeitsveränderungen durch die lange Haft.

Gegen beide liegen laut de Maiziere weder in den USA, in ihren Herkunftsländern noch in Deutschland strafrechtlich relevante Vorwürfe vor. Die Aufnahme-Entscheidung liege allein beim Bundesinnenminister. Der Beschluss sei aber abgestimmt mit Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle.

SPD lobt de Maizière

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hat die Entscheidung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), zwei ehemalige Insassen des US-Gefangenenlagers Guantánamo in Deutschland aufzunehmen, gelobt. "Wir begrüßen die Entscheidung", sagte der SPD-Politiker der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". "Das ist nach langem Gewürge bei CDU und CSU das Verdienst von Thomas de Maizière. Dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung", so Wiefelspütz. Die Aufnahme sei "praktizierte Freundschaft und Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika".

Grüne begrüßen Aufnahme

Amnesty International und die Grünen begrüßten die Entscheidung. "Die Bundesregierung hat das menschenverachtende 'System Guantanamo' oft und zurecht kritisiert", erklärte die Gefangenenhilfsorganisation. "Jetzt leistet auch Deutschland endlich einen Beitrag zum Ende dieses Menschenrechtsskandals." Die Männer seien von verschiedenen US-Behörden übereinstimmend als unschuldig und ungefährlich eingestuft worden.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, den Ex-Gefangenen müsse jetzt dringend geholfen werden, die durch Folter erlittenen Traumata aufzuarbeiten.

Laut Amnesty International befinden sich noch 181 Gefangene in Guantanamo, von denen mindestens 32 nicht in ihre Heimatländer zurückkehren könnten, weil ihnen dort politische Verfolgung, Gefängnis und Folter drohten.

(RTR/nbe)
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