Gleichstellung in der Arbeitswelt Zwei grüne Spitzenfrauen setzen auf feministische Wirtschaftspolitik

Exklusiv · Noch immer verdienen Frauen im Schnitt weniger als Männer, übernehmen mehr unbezahlte Erziehungs- und Hausarbeit und sind in Führungsetagen unterrepräsentiert. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und Familienministerin Lisa Paus wollen dagegen vorgehen – und legen konkrete Vorschläge vor.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (l.) und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge streben einen feministisch geprägten „Wandel in der Wirtschaftspolitik“ an.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (l.) und Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge streben einen feministisch geprägten „Wandel in der Wirtschaftspolitik“ an.

Foto: S. Kaminski

Ohne Frauen läuft in der Wirtschaft nichts – davon sind Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und Bundesfamilienministerin Lisa Paus überzeugt. Doch noch immer gibt es ein Gefälle zwischen Frauen und Männern in der Arbeitswelt, ob das die Bezahlung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Karrierechancen angeht. Die beiden Grünen-Spitzenfrauen wollen die Unterschiede zwischen den Geschlechter abbauen und haben dazu nun Vorschläge vorgelegt. Mit einem sechsseitigen Papier, das unserer Redaktion exklusiv vorliegt, wollen Dröge und Paus einen Anstoß geben, das gegenwärtige Wirtschaftssystem aus einer „kritischen feministischen Perspektive“ zu analysieren.

Noch immer klafft bei den Löhnen eine Lücke zwischen den Geschlechtern. Die Zahlen sprechen für sich: In Ostdeutschland verdienen Frauen über ihr gesamtes Erwerbsleben zwischen 40 Prozent und in Westdeutschland sogar 45 Prozent weniger als Männer.

Dröge und Paus setzen auf mehr Transparenz. „Wir wollen Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sichtbar machen, um sie abzubauen.“ Sie verweisen auf das Vorhaben der Ampel-Koalition, das Entgelttransparenzgesetz weiterzuentwickeln und dessen Durchsetzung zu stärken. Mit dem Gesetz soll die Transparenz von Entgeltstrukturen gefördert und nun die rechtliche Position von Arbeitnehmerinnen gestärkt werden. Die Grünen-Politikerinnen plädieren auch für mehr Tarifbindung gerade in Berufen, in denen Frauen überproportional vertreten sind.

Um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, setzen Dröge und Paus bei der Verteilung von Sorge- und Hausarbeit und bei flexibleren Arbeitszeitmodellen an. „Jede soll so arbeiten können, wie es in das Leben passt.“ Konkret schlagen sie eine flexible Vollzeit vor. Dafür soll ein Arbeitszeitkorridor von 30 bis 40 Stunden geschaffen werden, innerhalb dessen Beschäftigte ihren Arbeitszeitumfang selbst bestimmen können. Daneben wollen Dröge und Paus in Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung investieren und durch eine Fachkräfteoffensive mehr Menschen für den Erzieherinnenberuf gewinnen.

„Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können, ist Voraussetzung für die Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeitswelt“, sagte Paus unserer Redaktion. „Menschen können nur ein erfolgreiches Berufsleben haben und in Führungspositionen aufsteigen, wenn auch das Familien- und Privatleben seinen Platz hat“, so die Familienministerin.

Eine höhere Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt hält Fraktionschefin Dröge auch wegen des akuten Fachkräftemangels für notwendig. „Viele Unternehmen suchen aktuell händeringend nach Fachkräften. Und es gibt genug Frauen im Land, die gerne mehr arbeiten würden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, sagte Dröge. Die Arbeitswelt müsse sich flexibler auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausrichten. „Selbst Führungspositionen im Unternehmen lassen sich teilen und gute Führung ist auch in Teilzeit möglich“, so die Fraktionschefin.

Um die Dominanz von Männern in Führungsetagen zu durchbrechen, befürworten die beiden Grünen Quoten „in vielen Bereichen“. Die Ampel habe sich darauf verständigt, europäisch zu regeln, dass die Anzahl von Frauen in Aufsichtsräten gestärkt werde. Die entsprechende EU-Richtlinie sieht vor, dass künftig 40 Prozent der Mitglieder in Aufsichtsräten oder 33 Prozent in Aufsichtsräten und Vorständen weiblich sein müssen.

Und schließlich streben Dröge und Paus ein geschlechtergerechtes Steuersystem an. Ihr Mittel der Wahl ist eine Reform des Ehegattensplittings. „Damit das Steuersystem nicht weiter im letzten Jahrhundert feststeckt, wollen wir Grüne für neu geschlossene Ehen das Ehegattensplitting reformieren und dafür sorgen, dass gleichberechtigte Lebensentwürfe nicht länger benachteiligt werden“, heißt es im Papier. Das Ziel der Grünen-Politikerinnen ist nichts Geringeres, als einen „Wandel in der Wirtschaftspolitik“ zu erreichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort