Nach gescheiterter Postenbesetzung NRW-SPD-Chef Kutschaty ist zurückgetreten

Düsseldorf · Der SPD-Landesvorsitzende hatte versucht, eine Bonnerin zur neuen Generalsekretärin zu machen. Das Parteipräsidium sperrte sich. Nun zieht Kutschaty die Konsequenzen und verkündet seinen Rücktritt. Auch seine Zukunft in der Fraktion ist ungewiss.

Landtagswahl NRW 2022 - SPD: Spitzenkandidat Thomas Kutschaty - Fotos & Infos
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Das ist Thomas Kutschaty

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Zehn Monate nach dem verheerenden Absturz bei der Landtagswahl wirft Parteichef Thomas Kutschaty (SPD) nach einer unglücklichen Personalentscheidung hin. Mit einem Vorlauf von 40 Minuten hatten die Sozialdemokraten am Donnerstagmittag ins Johannes-Rau-Haus eingeladen. In einem dreiminütigen Statement verkündete ein hörbar angefasster Landesvorsitzender seinen Rücktritt.

Dem vorangegangen war am Vortag eine bemerkenswerte Düpierung durch die obersten Parteigremien. Kutschaty war auf der Suche nach einer neuen Generalsekretärin gewesen. Amtsinhaberin Nadja Lüders will – anders als Kutschaty – als Konsequenz aus dem Wahldebakel nicht erneut antreten. Dabei holte er sich allerdings – je nachdem, wen man fragt – zwischen zwei und einem Dutzend Körbe prominenter NRW-Sozialdemokratinnen. Zu unsicher erschien ihnen, auf dem Kutschaty-Ticket zu fahren. Der präsentierte dann Kostenpflichtiger Inhalt unabgesprochen die unbekannte Bonner Juristin Magdalena Möhlenkamp. Das kam weder bei den Regionalvorsitzenden noch bei den Vorstandsmitgliedern an – zumal die Personalie schon am Mittwochnachmittag über den „Kölner Stadt-Anzeiger“ publik geworden war. Kutschatys Kandidatin fiel durch.

Wenige Stunden später steht er in der Parteizentrale und sagt, die Wahlanalyse habe gezeigt, dass man vor ganz großen Herausforderungen als Partei stehe. „Und dafür braucht man als Vorsitzender die Unterstützung aller Gremien der Partei.“ Er sehe ein, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gebe. „Ich ziehe daraus die Konsequenz.“ Er habe dem Landesvorstand mitgeteilt, dass er als Vorsitzender der NRW-SPD zurücktrete. Ein ranghohes Mitglied beschreibt es so: „Die Partei verzeiht dir viel, aber nicht, wenn du sie nicht mitnimmst.“

Auch im Berliner Willy-Brandt-Haus schlagen die Ereignisse in Düsseldorf Wellen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert würdigt, dass Kutschaty in herausfordernden Zeiten Verantwortung für die SPD in NRW übernommen habe. „Er hat seine ganze politische Erfahrung eingebracht, um NRW gerecht weiterzuentwickeln.“ Dafür gälten ihm Dank und Respekt. „NRW spielt für zentrale Zukunftsaufgaben unseres Landes, vorneweg die gerechte Transformation der Wirtschaft, eine Schlüsselrolle“, sagt Kühnert unserer Redaktion. „Die SPD ist davon überzeugt, dass Deutschland auch in Zukunft ein starkes Industrieland mit guten Arbeitsplätzen bleiben muss.“ Ob das gelinge, das entscheide sich nicht zuletzt in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland, und dafür brauche es in NRW eine SPD, an der politisch kein Weg vorbeiführe, so der SPD-Generalsekretär.

Dass Kutschaty dabei noch eine Rolle spielen wird, gilt als ausgeschlossen. Noch hat er den Posten des Düsseldorfer Oppositionsführers inne. Über die Situation werde er sich mit den Gremien der Landtagsfraktion austauschen, sagt er am Ende seines Statements. Kaum vorstellbar, dass ausgerechnet derjenige sich auf dem Posten wird halten können, der seinen Vorgänger Sebastian Hartmann mit dem Argument ausgestochen hatte, Fraktions- und Parteivorsitz gehörten in eine Hand.

Dabei hatte sich die Fraktion nach dem Debakel im Mai zumindest nach außen hin um Kutschaty geschart. Die wohlwollendsten Worte in seine Richtung hört man am Tag des Rücktritts noch aus dem Kreis der Landtagsabgeordneten. So sagt ein Mitglied, wer bei Personalentscheidungen noch auf den Regionalproporz setze und deswegen eine Generalsekretärin Möhlenkamp verhindere, der habe die Lage der Partei schlicht nicht begriffen. Allerdings sagt die gleiche Person auch, dass der unabgestimmte Vorschlag ein grober Fehler gewesen sei.

Die verhinderte Kandidatin zeigte sich enttäuscht: „Es wäre eine tolle Aufgabe gewesen, die ich auch gern ausgefüllt hätte“, sagt sie unserer Redaktion. „Aber man kann als Generalsekretärin sicherlich nur erfolgreich arbeiten, wenn es eine breite Unterstützung in der Partei gibt. Insofern stellt sich die Frage im Moment nicht.“ Dass die Partei seit dem historisch schlechten Wahlergebnis im vorigen Jahr in einer tiefen Krise stecke, sei offensichtlich. „Dass es eine gewisse Unzufriedenheit in der Partei gab, war spürbar. Meine Kandidatur war da nur der Auslöser für den Rücktritt, nicht der Grund.“

Tatsächlich dürften die Gründe noch weiter zurückliegen. Der teils brutal geführte Machtkampf, den sich Kutschaty und Hartmann um den Landesvorsitz geliefert haben, hat tiefe Wunden gerissen und Feindschaften geschaffen. Kutschaty, der zwar stellvertretender Bundesvorsitzender ist, hat es zudem nicht vermocht, ein funktionierendes Verhältnis etwa zu den SPD-Bundestagsabgeordneten aus NRW aufzubauen. Mit einiger Irritation hat man dort auch festgestellt, dass aus dem Kutschaty-Lager neben der scheidenden Generalsekretärin Lüders vor allem „die da in Berlin“ als Grund für die Wahlschlappe ausgemacht wurden.

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty im Landtag.

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty im Landtag.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Wer dem Juristen, der unter Hannelore Kraft Justizminister war, auf dem Landesvorsitz nachfolgt, ist unklar. Als mögliche Kandidaten werden immer wieder der Hammer Oberbürgermeister Marc Herter, dessen Duisburger Amtskollege Sören Link, aber auch die Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir und Michelle Müntefering genannt. Der Landesparteitag entscheidet am 6. Mai. Schon vorher dürfte die Entscheidung über den Vorsitz der Landtagsfraktion fallen. Die tagt zwar regulär erst wieder am Dienstag, allerdings bezweifeln Beobachter, dass Kutschaty bis dahin noch warten werde. „Am Wochenende wird sehr viel telefoniert werden“, sagt ein Landtagsabgeordneter.

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