Kurt Beck Ypsilantis nächstes Opfer

Düsseldorf (RPO). Andrea Ypsilanti will es wissen. Am Mittwoch gab sie ihren Plan zur Machtergreifung in Hessen bekannt. Neben diesen großen Ziel scheint alles andere in den Hintergrund zu rücken - auch die gut gemeinten Ratschläge ihres Parteichefs Kurt Beck. Sollte Ypsilanti ihr politisches Pokerspiel verlieren, muss sich die SPD wahrscheinlich einen neuen Vorsitzenden suchen - als ob die Sozialdemokratie nicht schon genug Probleme hätte.

Ypsilantis Koalitionspoker in Hessen
14 Bilder

Ypsilantis Koalitionspoker in Hessen

14 Bilder

Es war der 17. März 2005, als die politische Karriere von Heide Simonis ein Ende nahm. Sie wollte sich abermals zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein wählen lassen, doch es folgte ein Debakel, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht vorgekommen ist. In vier Wahlgängen schaffte sie es nicht, die erforderliche Mehrheit zu bekommen. Ein Mitglied ihrer Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschen Wählervereinigung enthielt sich seinerzeit der Stimme - das reichte, um Simonis zu stürzen.

Im kommenden November will nun Ypsilanti, als zweite Frau überhaupt, Ministerpräsidentin werden. Wie Simonis muss sie sich auf die Tolerierung durch eine dritte Fraktion verlassen. Wie Simonis hat sie nur eine Stimme Mehrheit, wobei die standhafte Dagmar Metzger bereits herausgerechnet ist. In Einzelgesprächen hat die 51-Jährige bereits einen Großteil der eigenen Abgeordneten bearbeitet und sich Rückendeckung geholt, vier bis sechs Regionalkonferenzen sollen folgen. In der Bundespartei fürchtet man ihre nächsten Schritte - und vor allem deren Folgen.

Ypsilanti macht die Rechnung nämlich ohne den Wirt: Ist die Linke ein verlässlicher Partner? Die hessischen Sozialdemokraten wollen sich nach den Worten ihres Generalsekretärs Norbert Schmitt auf ein Tolerierungsbündnis im Landtag nur einlassen, wenn die Linksfraktion "verlässliche Mehrheiten" bis zum Ende der Legislaturperiode garantiert.

Schmitt sagte am Donnerstag im Südwestrundfunk, unverzichtbar sei eine Vereinbarung, in der wesentliche Eckpunkte der Landespolitik festgeschrieben seien. Ausgeschlossen sei ein Bündnis, das sich nur auf die Wahl der Ministerpräsidentin und ihres Kabinetts beschränke. Eine entsprechende Drohung hatte der hessische Bundestagsabgeordnete der Linken, Wolfgang Gehrcke, medial platziert.

Die Worte Gehrckes verfehlten ihre Wirkung nicht. Grünen-Chef Tarek Al-Wazir zeigte erstmals Nerven: "Der Regierungswechsel droht an der Linkspartei zu scheitern." Sollten die Positionen Gehrckes auf dem bevorstehenden Landesparteitag der Linken eine Mehrheit finden, werde es keine rot-grüne Minderheitsregierung geben, sagte er. "Für ein Himmelfahrtskommando sind die Grünen nicht zu haben."

Die harschen Reaktionen belegen, dass SPD, Grünen und Linken gleichermaßen eine Zerreißprobe bevorsteht, sollten sie das Abenteuer Linksbündnis in den folgenden Wochen wagen. Die Grünen verweisen darauf, dass im kommenden Jahr in Hessen nicht weniger als 50 befristete Landesgesetze auslaufen und daher vom Landtag erneut beschlossen werden müssen. Al-Wazir hat bereits mehrfach gefordert, dass die Linken vor einer Wahl Ypsilantis signalisieren müssten, dass sie zu einer konstruktiven Mitarbeit an der Neufassung der Gesetze grundsätzlich bereit seien.

Erdbeben in der SPD?

Die politischen Gegner frohlocken derweil. "Der Marsch nach links geht weiter", stellte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Donnerstag in Berlin fest. "Die gesamte Bundesspitze der SPD, insbesondere die Herren Beck, Steinmeier und Steinbrück, spielt allenfalls noch eine Statistenrolle", betonte Pofalla. Ypsilanti tanze der SPD-Führung der Nase herum. Pofalla fügte hinzu: "Dieses Vorgehen wird die SPD noch teuer bezahlen müssen."

Die vielen Unbekannten in Ypsilantis Gleichung sind in der Tat eine Gefahr für die gesamte SPD. Zwar billigte die Parteiführung ihr Vorgehen geschlossen. "Die Beschlusslage der SPD ist klar: Entscheidungen über Koalitionen werden in den Ländern getroffen. Das gilt auch für Hessen", erklärten Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles sowie Generalsekretär Hubertus Heil am Donnerstag in Berlin. "Die SPD braucht keine Belehrungen." Zugleich heißt es in der Erklärung: "Die jetzt vom hessischen Landesvorstand beschlossene mögliche Verfahrensweise ist mit erheblichen Risiken verbunden." Die engere Parteiführung habe in einem Gespräch in der vergangenen Woche "ernsthafte Bedenken" dargelegt.

Bei den Entscheidungen in Hessen gehe es auch um das Gesamtinteresse der SPD. "Die hessischen Genossinnen und Genossen tragen daher auch eine Gesamtverantwortung für die Partei", hieß es weiter. Was es mit dieser Verantwortung auf sich hat, merken derzeit Ypsilantis wahlkämpfende Parteifreunde in Bayern und im Saarland. Diese geraten in Erklärungsnot, ganz abzusehen von den Auswirkungen auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr. In Berlin ist zu hören, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier, obwohl noch gar nicht offen als Kanzlerkandidat nominiert, zusehends die Lust an einer solchen Position verliert. Die Sozialdemokraten müssten dann mit ihrem umstrittenen Vorsitzenden Kurt Beck antreten.

Viel größer ist die Frage, ob Beck am Ende des Jahres überhaupt noch im Amt ist. Sollte Ypsilantis Wahl im Landtag scheitern, wäre Beck als SPD-Chef nicht mehr zu halten. Immerhin war es der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, der Ypsilanti in Bezug auf eine Kooperation mit den Linken im Frühjahr von der Leine ließ. Beide Namen sind eng miteinander verbunden, sein Sturz würde die Machtverhältnisse in der Partei grundlegend verändern.

Die Konservativen und Reformer in der SPD würden einen Moment der Schwäche nutzen, um den glück- und erfolglosen Beck endlich loszuwerden. Es gibt laut "Spiegel" bereits Überlegungen, wer ihm nachfolgen könnte: Der technokratisch wirkende Steinmeier oder gar ein Comeback von Franz Müntfering werden favorisiert. Bei den Parteilinken sind Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Andrea Nahles die erste Wahl.

Fest steht, dass Ypsilanti alles versuchen wird, um es im November zum Showdown im Wiesbadener Landtag kommen zu lassen. Dann wird aber wesentlich mehr als nur ihre Wahl zur Ministerpräsidentin auf dem Spiel stehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort