Rezos Youtube-Video RP-Kommentar bringt das Netz in Rage – eine Antwort an die Nutzer

Meinung · Ein Kommentar unserer Redakteurin Kristina Dunz zum Video des Youtubers Rezo hat das Netz aufgebracht. Viele Kommentare haben uns per Twitter, Facebook und auf unserer Homepage erreicht. Jetzt antwortet die Autorin.

 Der Youtuber Rezo hat mit seinem Video einen Nerv getroffen.

Der Youtuber Rezo hat mit seinem Video einen Nerv getroffen.

Foto: dpa/-

Die Wut in sozialen Netzwerken über meinen Meinungsbericht zu einem Youtube-Video ist riesig. Zusammengefasst bin ich eine alte, faktenfreie, diskriminierende Neuland-Touristin oder auch CDU-Lobbyistin vom Allerfeinsten, die kein Jugend-Deutsch kann und sowieso von nichts eine Ahnung hat, und das nach einem einzigen Text.

Viele wollen nicht verstehen, worum es mir geht. Sie überlesen meinen Respekt vor dem Redetalent Rezo und unterstellen mir Verunglimpfung, weil ich die Situation der Aufnahme und seinen CDU-orangefarbenen Pulli plus blauen Haar-Pony beschrieben habe. Da kann ich leider nicht weiterhelfen. Andere deuten die Zeilen aber anders, als ich sie gemeint habe. Jenen möchte ich antworten. Kleiner Hinweis: Die Anbiederei an Klickzahlen-Könige ist nicht so meins.

Zuerst ein Satz zum Atomausstieg: Die schwarz-gelbe Bundesregierung (Achtung: da war auch die FDP dabei) hat zunächst die von Rot-Grün verkürzten Atomlaufzeiten wieder verlängert und dann nach dem Super-GAU in Fukushima den Atomausstieg schneller beschlossen als von Rot-Grün einst vorgesehen. Doppelte Kehrtwende haben wir das 2011 genannt. Das lag aber vor allem an diesem Ereignis: der bevorstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg. Die Union fürchtete um ihre Stimmen. Hätte es diese Wahl nicht gegeben, hätte Fukushima vermutlich nicht zu dieser postwendenden, einschneidenden Reaktion geführt. Insofern haben meiner Ansicht nach die Kritik an der Umweltpolitik der Union und die drohenden Konsequenzen für die CDU bei der Wahl zu dem schnellen Wandel geführt. Das sei der Vollständigkeit halber an dieser Stelle ergänzt.

Zum Umgang: Millionen von Menschen rufen ein Video ab. Darin geht es vor allem um den Klimawandel. Über diesen berichtet unsere Redaktion seit langem. Warum also ist das Interesse an dem Video so groß, als wäre das etwas Neues? Aus meiner Sicht aus zwei Gründen.

Erstens: Es hat eine provokante Überschrift: „Die Zerstörung der CDU“. Mir wurde erklärt, das sei halt Jugendsprache und es sei gar nicht die Zerstörung der Volkspartei gemeint. Synonym hätte da auch stehen können: „Wir haben die CDU durchgespielt“. Glaubt ernsthaft jemand, dass das dann für Furore gesorgt hätte? „Durchgespielt“? Wie süß. Nein, „Zerstörung“ ist das Reizwort. Die Zerstörung der CDU, nicht „durch die CDU“, wie jetzt viele glauben machen wollen, dass es einzig und allein darum gehe. Rezo will ernst genommen werden? Ich habe es getan. Und ich hätte es genauso getan, wenn dort gestanden hätte: „Die Zerstörung der Linken“. Fragt bei denen nach.

Zweitens: Das Interesse an dem Video ist groß, weil dort etwas angesprochen wird, das man auch täglich in zahlreichen Zeitungen, Magazinen und Wochenblättern finden kann – aber das kostet etwas. Das Video gibt es jetzt sofort und umsonst. Es ist eingängig, amüsant und es bekommt immer ein einziger (die CDU) etwas auf die Mappe. Wir Journalisten müssten die CDU mit den Vorwürfen konfrontieren und sie zu Wort kommen lassen oder ihre Haltung schildern. Das empfinden viele heute aber als langweilig und altmodisch. Denn das macht ja die Geschichte gleich wieder kaputt. So funktioniert aber Journalismus. Und in welchem Land werden wir uns wiederfinden, wenn es der Mehrheit einmal ausreichen sollte, zu hören, zu sehen und zu bejubeln, wie eine einzelne Gruppe etwas auf die Mappe bekommt? Und zwar kostenlos.

Das Interessante ist jetzt der Aufschrei über den Text einer kleinen Twitter-Nutzerin mit nur 7000 Followern. Ordentlich austeilen und sich dann erschrecken, wenn es ähnlich scharf zurückkommt. Womit ich beim Demokratieverständnis wäre. Artikel 5 Grundgesetz, Meinungsfreiheit. Jeder darf sagen, was er denkt, Schranken setzt unter anderem die Verletzung der persönlichen Ehre. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, dass man Recht bekommt. Das gehört auch zur Demokratie. Man muss aushalten, dass man sich ärgert, es benennt, aber sich nicht oder erst langsam durchsetzen kann. Fragt die Grünen.

Ich erlebe viele junge Menschen, die sehr gut über ihre Rechte Bescheid wissen. Ich erlebe wenige junge Menschen, die damit Pflichten verbinden. Unser friedliches Zusammenleben basiert auf Kompromissen. Wir sind zu verschieden, um alle in eine Richtung zu gehen. Aber Kompromisse sind anstrengend. Jeder bekommt etwas, aber jeder muss etwas geben. Die Tatsache, dass es ein Video über scharfe Forderungen zur Klimapolitik gibt, ist ein Beitrag zur Demokratie. Die insinuierte Aufforderung zur Zerstörung einer Partei ist es nicht. Das ist das Gegenteil. Und nur darum geht es mir. Ich will keine Zerstörung. Von niemandem. Auch nicht der CDU.

Einer mit 120.000 Followern schrieb mir auf Twitter, er selbst würde gar nicht sagen, dass ich mich „gerade selbst zerstöre“, aber wenn das jemand behauptete, würde er nicht widersprechen. Schöne Lunte. Sie ist glücklicherweise nach 120 Likes und ein paar Retweets erst einmal wieder erloschen. Da war sie wieder, die „Zerstörung“, die angeblich gar nicht so gemeint ist. Ist halt Jugendsprache. Aber zündeln möchte man schon damit, jung wie alt. Ich nicht.

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