Bundespräsident im Visier Wulffs Stuttgart-Connection

Berlin · Es gibt neue Fragen zu Christian Wulffs privatem Finanzgebaren. In den Fokus rücken seine Verbindung nach Baden-Württemberg, zu einer landeseigenen Bank und zum damaligen Stuttgarter Ministerpräsidenten Günther Oettinger.

Bundespräsident Christian Wulff erklärt sich
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"Wo auch immer Sie sind, wir sind in Ihrer Nähe." So lautet der Werbespruch der BW-Bank. In der Nähe war die halbstaatliche Stuttgarter Bank auch für den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff bei dessen weiterer Finanzierung seines Privathauses. Mit ungewöhnlich guten Konditionen, wie Finanzexperten sagen. Die Verbindung zu der baden-württembergischen Bank könnte den Bundespräsidenten trotz seiner öffentlichen Entschuldigung am Donnerstagnachmittag noch in Bedrängnis bringen.

Im Frühjahr 2010 hatte Wulff einen 520 000-Euro-Kredit der BW-Bank bekommen, um damit den umstrittenen Privatkredit des Unternehmerpaares Geerkens abzulösen. Der Zinssatz des neuen Kredites, eines Geldmarktdarlehens mit flexiblem Zins, soll zwischen 0,9 und 2,1 Prozent gelegen haben. Üblich ist nach Ansicht von Finanzexperten bei einer Immobilienfinanzierung mindestens das Doppelte. Die Anwälte von Christian Wulff erklären, das Darlehen sei üblich verzinst worden.

Wulff will schon im Dezember 2009, also noch bevor der niedersächsische Landtag Nachfragen zu dem Geerkens-Kredit stellte und die Affäre ins Rollen brachte, "Gespräche mit einem Privatkundenberater der staatlichen baden-württembergischen BW-Bank aufgenommen" haben. Das hatte Wulff vor zehn Tagen schriftlich mitgeteilt. Stimmt das wirklich? Oder wurde der Bankkredit erst aufgenommen, als die Nachfragen zum Privatkredit drängender wurden? Und warum die BW-Bank und nicht irgendeine Hausbank in Niedersachsen? Diese Fragen sind bisher nicht beantwortet worden.

Nach Informationen unserer Redaktion traf Wulff tatsächlich im Dezember des Jahres 2009 mit Vertretern der BW-Bank in Hannover zusammen. Allerdings nicht mit normalen Bankberatern, sondern führenden politischen Repräsentanten der Bank. Darunter auch Günther Oettinger (CDU), damals Regierungschef in Stuttgart und Aufsichtsratschef der BW-Muttergesellschaft, der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Der prominente Partyveranstalter Manfred Schmidt, dem enge Verbindungen zu Wulff und Wulffs ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker nachgesagt werden, hatte am 11. Dezember zum Nord-Süd-Dialog nach Hannover geladen, eine von Sponsoren finanzierte, glamouröse Länderparty mit rund 1000 Gästen. Oettinger und Wulff waren die Schirmherren. Mehrfach betonten sie gegenüber Journalisten, dass sie nicht nur die Parteizugehörigkeit, sondern auch eine Freundschaft verbinde. Im "Andenpakt", jenem Gesprächskreis konservativer CDU-Politiker, arbeiteten sie ebenfalls zusammen.

Und Mitglieder des Aufsichtsrats der LBBW waren an diesem Abend auch nach Hannover gekommen. Die Fluglinie Air Berlin, dessen Gründer und damaliger Chef Joachim Hunold den Wulffs für ihren Urlaubsflug nach Florida später kostenlos Tickets für die Business-Klasse organisierte, soll einen Shuttle aus Stuttgart eingerichtet haben, heißt es. Die zentralen Fragen: Hat Wulff Sonderkonditionen bei einer Bank, die vom baden-württembergischen Steuerzahler finanziert wird, bekommen? Und hat womöglich Günther Oettinger als Chef des Kontrollgremiums der Bank dabei eine Rolle gespielt?

Ungewöhnlich ist der Kreditvertrag allemal. Normalerweise finanziert die BW-Bank heimische Mittelständler und Forschungsprojekte der Landesstiftung Baden-Württemberg. Die Bank übernehme die Aufgabe einer "Sparkasse" und bilde die "regionale Säule" des Geschäfts. Sie sei eine "leistungsfähige Regionalbank", heißt es im Geschäftsbericht der LBBW aus dem Jahr 2009. Kerngeschäft seien Unternehmenskunden.

Nur im "Stadtgebiet Stuttgart" kümmere sich die BW-Bank um Privatkunden, heißt es. Warum also ein Kredit über eine halbe Million Euro an den Ministerpräsidenten Niedersachsens? Die BW-Bank äußert sich auf Anfrage nicht zu dem Thema und verweist seit Tagen auf das Bankgeheimnis. Der Kredit sei marktüblich verhandelt worden, sagen Wulffs Anwälte. Der inzwischen zum EU-Kommissar aufgestiegene Oettinger war für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen.

SPD- und Grünen-Politiker wollen den Fall nicht ruhen lassen. "Nach Weihnachten werden wir weitere Fragen stellen", heißt es aus der Parteizentrale der SPD. "Nach dem Motto 'Schwamm drüber' geht es jetzt nicht", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, erwartet, dass die Debatte um den Präsidenten weitergeht. "Ich fürchte, es wird noch weitere Gespräche geben", sagte Schneider im SWR. Wulff könne seine Glaubwürdigkeit aber zurückgewinnen, "indem er transparent und gradlinig auftritt".

Auch der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht noch Klärungsbedarf. Die Ablehnung der Staatsanwaltschaft Hannover, Ermittlungen gegen Christian Wulff wegen einer möglichen früheren Vorteilsannahme im Amt anzustellen, sei nicht nachvollziehbar, sagte er. Bei der Staatsanwaltschaft sind im Zusammenhang mit dem Privatkredit und Urlaubsreisen Wulffs als Ministerpräsident mehrere Anzeigen von Privatpersonen eingegangen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht "derzeit" in der Finanzierung von Anzeigen für ein Buch über Christian Wulff im Landtagswahlkampf 2008 durch den Unternehmer Carsten Maschmeyer keinen Verstoß gegen das Parteiengesetz.

Das Staatsoberhaupt widmete sich gestern wieder seinen üblichen Geschäften. Wulff unterzeichnete das geänderte Stasi-Unterlagen-Gesetz und flog anschließend zur Trauerfeier für den verstorbenen früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel nach Prag.

Das Weihnachtsfest verbringen die Wulffs mit den Eltern der Präsidentengattin in Berlin. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Bettina Wulff: "Da werden meine Mutter und ich kochen." Ihr Mann wolle helfen. Sie verriet auch, dass der gemeinsame Sohn Linus Florian (3) noch an den Weihnachtsmann glaube.

(RP/csi/rm)
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