Prozess gegen Ex-Bundespräsidenten Wulff trägt Bundesverdienstkreuz vor Gericht

Hannover · Anderthalb Jahre nach seinem Rücktritt als Bundespräsident steht Christian Wulff wegen Vorteilsannahme vor Gericht. Begleitet von riesigem Medieninteresse erschien Wulff am Donnerstag im Landgericht Hannover. Mit Wulff steht erstmals ein Ex-Staatsoberhaupt der Bundesrepublik vor Gericht.

Christian Wulff beim Prozessauftakt
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"Ich bin ganz sicher, dass ich auch den allerletzten verbliebenen Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe im Amt", sagte Wulff am Donnerstag in einer kurzen Erklärung vor Journalisten. "Das muss jetzt entschieden werden." Wulff räumte ein: "Das ist sicher kein einfacher Tag."

Wulff ließ die Absicht erkennen, nach dem von ihm erwarteten Freispruch wieder öffentlich aktiv zu werden: "Ich möchte mich nach dem Verfahren mit großer Freude all der Themen annehmen, die mir immer am Herzen gelegen haben. Das ist meine Einstellung, mit der ich in diese Hauptverhandlung gehe." Wulff hatte sich während seiner Präsidentschaft vor allem mit dem Thema Integration von Zuwanderern profiliert.

Fragwürdiger Anstecker

Ausführlich gab er Auskunft über seinen Anstecker am Revers: "Das ist das große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, aber in der Ausführung, die man bei solchen Anlässen trägt", so der Ex-Bundespräsident.

Mit Wulff nahm kurz nach zehn Uhr vormittags erstmals in Deutschland ein ehemaliger Bundespräsident auf der Anklagebank Platz. Ihm wird Vorteilsannahme zur Last gelegt. Mit ihm ist der Filmmanager David Groenewold wegen Vorteilsgewährung angeklagt. Groenewold hat laut Anklage rund 700 Euro Kosten übernommen für Hotel, Kinderbetreuung und einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff im Jahr 2008. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident soll sich im Gegenzug beim Siemens-Konzern für die finanzielle Unterstützung eines Filmprojekts von Groenewold eingesetzt haben.

Nur einen Tag nach Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft war der inzwischen 54 Jahre alte Wulff am 17. Februar 2012 als Staatsoberhaupt zurückgetreten.

Verfahren unterbrochen

Das Verfahren wurde bereits wenige Minuten nach Beginn unterbrochen. Grund war eine Rüge der Verteidiger Groenewolds. Sie monierten, dass im Zuschauerraum zu viele Plätze an Medienvertreter vergeben worden seien und zu wenige an andere Zuschauer. Wie ein AFP-Reporter aus dem Gerichtssaal berichtete, waren allerdings nicht alle Zuschauerplätze belegt.

Die Anklageverlesung dauerte wenig später nur ein paar Minuten. Die Staatsanwaltschaft führte aus, dass Wulff sich den Erkenntnissen nach als Ministerpräsident korrupt verhalten haben soll, als er sich vom mitangeklagten Filmproduzenten David Groenewold 2008 zu einem Oktoberfestbesuch einladen ließ.

In der Folgezeit habe Wulff den Eindruck vermittelt, dass er für ein Filmprojekt Groenewolds um Sponsoring werben würde. Dies habe er im Dezember 2012 auch getan. Aus Sicht der Anklage ist auch eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit denkbar.

Angebot ausgeschlagen

Wulff hatte wie Groenewold das Angebot der Staatsanwaltschaft ausgeschlagen, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen. Die Angeklagten streben einen Freispruch an.

Die Anklage lautete ursprünglich auf Bestechung und Bestechlichkeit, die 2. Große Strafkammer unter dem Vorsitzenden Frank Rosenow ließ zur Hauptverhandlung aber nur den geringeren Vorwurf der Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme zu. Groenewold muss sich außerdem verantworten, weil er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft an Eides statt unwahre Aussagen über die Kosten des Oktoberfestbesuches gemacht hatte.

Das Gericht hat bis in den April 2014 über 20 Verhandlungstage angesetzt und will bis zu 45 Zeugen hören - darunter auch Bettina Wulff, die sich inzwischen von ihrem Mann getrennt hat.

"Bild"-Chef hält Prozess für falsch

"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann hält den Prozess für falsch. "Nach umfassenden Ermittlungen bleibt vom Vorwurf der Käuflichkeit ein Betrag von 719,40 Euro", schreibt er in der "Bild"-Zeitun. "Ist ein Ministerpräsident dafür wirklich käuflich?"

Ein Bericht der "Bild"-Zeitung hatte im Dezember 2011 den Stein in der Affäre Wulff ins Rollen gebracht. Wegen eines Berichts über einen Kredit Wulffs für einen Hauskauf drohte der damalige Bundespräsident auf der Mailbox von Diekmann mit Konsequenzen, sollte die Geschichte erscheinen.

"Bestraft ist Christian Wulff im Übrigen schon längst genug", schreibt Diekmann jetzt in seinem Kommentar. Es dränge sich der Eindruck auf, "die Kleinlichkeit und Verbissenheit der Staatsanwaltschaft" komme von ihrer Angst, den Rücktritt mit den Ermittlungen zwar ausgelöst zu haben, jetzt aber die entsprechende Anklage nicht liefern zu können. Die Justiz habe politisch gedacht und gehandelt.

(dpa)
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