Bundespräsidenten-Affäre weitet sich aus Wulff — neue Debatte über Flüge

Berlin · Der deutsche Bundespräsident kommt nicht zur Ruhe: Nach der Debatte um seinen Hauskredit und dem Angriff auf die Pressefreiheit, wird nun wieder Kritik an Christian Wulffs angeblichen Flugvergünstigungen laut.

Wenn Herr Wulff den Zeigefinger hebt
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Foto: dapd, Johannes Eisele

Während die CDU am Freitag bemüht war, den Wirbel um Bundespräsident Christian Wulff einzudämmen, legte die "Bild"-Zeitung mit einer Flugmeilen-Geschichte nach. Demnach hat ein Passagier berichtet, dass Wulff mit seiner jetzigen Ehefrau Bettina und deren Sohn 2007 während des Rückfluges nach einer Kreuzfahrt ein Upgrade von der Economy- in die bequemere Business-Klasse erhalten hat. Umstritten sei, ob dafür privat gesammelte Meilen ausreichten oder auch geschäftlich erworbene eingesetzt wurden. Wegen derartiger Praktiken waren seinerzeit die Politiker Cem Özdemir (Grüne) und Gregor Gysi (Linke) zurückgetreten.

Die Stellungnahmen von Wulffs Anwalt Gernot Lehr wechselten. Zunächst bestätigte er, dass Wulff das Upgrade von Anfang an gebucht und mit privat erflogenen Meilengutschriften verrechnet hatte. Dann schrieb er davon, dass der Wechsel "während des Fluges" erfolgt sei. Am Freitag erklärte er, die Upgrade-Buchung für den Flug von Miami nach Frankfurt sei sechs Wochen im Voraus erfolgt. Wulff habe getrennte Konten für private und geschäftliche Flüge und deren Meilen-Gutschriften unterhalten. Das Upgrade sei allein von seinem privaten Konto erfolgt.

Auf Anweisung Wulffs bereitet Lehr zudem die Veröffentlichung weiterer Medienanfragen und deren Beantwortung vor. Voraussetzung sei, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt würden und die Medien selbst zugestimmt hätten.

Bürger: Wulff nicht mehr glaubwürdig

Laut einer aktuellen Umfrage für das ZDF-"Politbarometer" halten 72 Prozent der Bürger Wulff inzwischen für dauerhaft beschädigt, 61 Prozent für nicht mehr glaubwürdig. Eine Mehrheit von 50 Prozent meint zugleich, dass er im Amt bleiben sollte.

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Björn Engholm, 1993 von allen Ämtern zurückgetreten, riet Wulff via ARD, seine Koffer zu packen. Er solle sich eingestehen, in dieses Amt, das von der Legitimation und Zustimmung der Bevölkerung lebe, "nie wieder" hineinkommen zu können. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte voraus, dass Wulff das, was in den letzten 60 Jahren einen Bundespräsidenten ausgemacht habe, nicht mehr repräsentieren könne. Nötig sei ein "Neuanfang". Barbara Scheel, die Gattin des früheren Bundespräsidenten, nannte es eine "Frage der Zeit, dass ein Amtsinhaber mit Würde die Konsequenzen zieht und geht". Auch bei der CDU wurde die Liste der Politiker, die Wulff den Rücktritt empfehlen, länger — und zwar um den brandenburgischen Abgeordneten Hans-Georg von der Marwitz.

Zum Auftakt der CDU-Vorstandsklausur in Kiel waren die Spitzenpolitiker jedoch darauf aus, die Wulff-Debatte um Hauskredit, Urlaube, Krisenbewältigung und Medienbeeinflussung zu beenden. "Er hat eine zweite Chance verdient", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Auch Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ erneut ihre Wertschätzung für Wulff ausdrücken.

In der CDU wird befürchtet, dass die Neuaufstellung der Partei mit Sachthemen von der Wulff-Personalie überlagert wird. In der "Kieler Erklärung" soll es am Wochenende um neue Impulse für Innovation und Wachstum gehen.

(RP/felt)
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