Lager werben vor Wahl des Bundespräsidenten Wulff fordert mehr Ehrlichkeit in der Politik

Berlin (RPO). Christian Wulff oder Joachim Gauck? Die politischen Lager rühren vor der Wahl des Bundespräsidenten die Werbetrommel. Vor allem Wulff steht in der Kritik. Das höchste Amt im Staate werde parteipolitisch vereinnahmt, klagt die SPD. Der Kandidat selbst fordert mehr Ehrlichkeit ein.

Schlagzeilen zu Wulffs Präsidentschaftskandiatur
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Foto: ddp

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Koalition erneut auf die Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten eingeschworen. "Ein neuer Bundespräsident muss Deutschland Mut machen und ein sicheres Gespür für gesellschaftliche Veränderungen und den Zusammenhalt in unserem Land haben. Das kann Christian Wulff", sagte sie der "Bild am Sonntag". SPD und Grünen warben dagegen um Zustimmung bei der Linken für ihren Kandidaten Joachim Gauck.

Merkel nannte es "Unsinn", dass Teile der FDP die Bundespräsidentenwahl als Druckmittel benutzten. "Ich rate uns allen, den notwendigen Respekt" vor der Wahl des Staatsoberhauptes aufzubringen. Gauck sei eine herausragende Persönlichkeit, die sie ehre und schätze, sagte Merkel. Wulff sei der am besten geeignete Kandidat in dieser Zeit. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte Wulff im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" den besseren Kandidaten. In Zeiten wie diesen sei es kein Nachteil, wenn sich der Bundespräsident im politischen Gefüge der Republik auskenne.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen lobte Wulff als "staatsklug" und Vermittler. Als Ministerpräsident habe er sein Land beharrlich und unaufgeregt modernisiert und Diskussionen so geführt, dass er für den Wandel Zustimmung in der Bevölkerung gefunden habe, schreibt CDU-Ministerin in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montagausgabe).

Koch spricht von Richtungsentscheidung

Roland Koch sprach bei seinem Abschied als hessischer CDU-Chef von einer "politischen Richtungsentscheidung" für oder gegen eine bürgerliche Mehrheit. Darüber zeigten sich SPD und Grüne empört. "Die parteipolitische Vereinnahmung des höchsten Staatsamtes ist ungeheuerlich", erklärte SPD-Generalsekretärin Andreas Nahles.

In einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag wandten sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir an alle Mitglieder der Bundesversammlung: "Wir appellieren an die Mitglieder der Bundesversammlung, am 30. Juni nicht die Kategorien von Sieg und Niederlage und von politischer Lagerlogik zur Grundlage ihrer Wahlentscheidung zu machen". Besonders sprachen sie die Linkspartei an, die mit Luc Jochimsen eine eigene Kandidatin hat. Sie zeigten sich erstaunt über die "reflexartige Ablehnung" des ehemaligen Chefs der Stasi-Unterlagenbehörde durch weite Teile der Linken. "Wir setzen auf die Nachdenklichen in den Reihen dieser Partei, die über alte Fronten hinauskommen wollen", schrieben Steinmeier und Özdemir.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, sagte allerdings, Gauck sei nicht wählbar. In der Zeitschrift "Super Illu" nannte sie ihn einen Mann der Vergangenheit. Es sei kein Versöhner und habe keine Antworten auf die Fragen der Menschen.

Wulff verlangt mehr Ehrlichkeit

Auch die beiden Kandidaten selbst meldeten sich zu Wort. Wulff verlangte mehr Ehrlichkeit in der Politik und beklagte eine "verhängnisvolle Tendenz zu Vereinfachung, Verkürzung, Emotionalisierung und Skandalisierung". Im "Focus" sagte er, die Menschen sehnten sich danach, reinen Wein eingeschenkt zu bekommen. "Und sie sehnen sich auch nach Orientierung, danach, dass Politiker ihre Entscheidungen gut begründen und sie dann auch durchsetzen."

Gauck sagte dem "Tagesspiegel", es sei schrecklich, dass seine Bewerbung als Angriff auf Merkel wahrgenommen werde. Der Gedanke, sein Erfolg in der Bundesversammlung könne das Ende von Merkels Kanzlerschaft bedeuten, habe ihm zu schaffen gemacht.

In der Gunst der Bürger liegt Gauck nach einer Umfrage von Emnid mit 34 Prozent Zustimmung knapp vor Wulff mit 32 Prozent. In Ostdeutschland favorisierten sogar 55 Prozent der Befragten Gauck, wie die "Bild am Sonntag" berichtete.

(apd/pst)
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