Berlin Wulff drohte Springer-Verlag
Berlin · Der Bundespräsident hat in persönlichen Telefonaten und mit der Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen eine Berichterstattung über seinen Privatkredit zu verhindern versucht. Die Politik reagiert zurückhaltend.
In der Affäre um seinen Hauskredit ist Bundespräsident Christian Wulff nun auch wegen des Umgangs mit der "Bild"-Zeitung unter Druck geraten. "Bild" hatte am 13. Dezember erstmals über den Kredit berichtet. Und Wulff hatte versucht, in mehreren, stellenweise wütenden und drohenden Telefonaten mit führenden Vertretern des Springer-Konzerns noch während seines Staatsbesuchs am 12. Dezember in den Vereinigten Arabischen Emiraten genau das zu verhindern. Die Opposition verlangte erneut Aufklärung.
Wulffs Anwalt Gernot Lehr erklärte gegenüber unserer Zeitung, sein Mandant gebe über "Vieraugengespräche und Telefonate grundsätzlich keine Auskunft". Die Pressefreiheit sei ihm ein hohes Gut, sagte eine Sprecherin von Wulff. Nachdem immer mehr Details der präsidialen Intervention bekannt geworden waren, sah sich die "Bild" zu einer offiziellen Stellungnahme veranlasst.
Demnach hatte "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann Wulff vor dem Erscheinen des Artikels Gelegenheit zu einem Statement gegeben. Wulff hatte das von den Emiraten aus geliefert, im Laufe des Tages aber wieder zurückgezogen. Stattdessen versuchte er, Diekmann auf dessen Handy zu erreichen. Als dies nicht gelang, hinterließ er eine längere Nachricht, in der er sich nach Angaben von "Bild" empört über die Recherchen zu seinem Hauskredit zeigte und dem verantwortlichen Redakteur mit strafrechtlichen Konsequenzen drohte. Der Präsident habe sich zwei Tage später für Ton und Inhalt seiner Äußerungen persönlich entschuldigt, weswegen "Bild" davon abgesehen hatte, über das Telefonat zu berichten.
Nach Informationen unserer Zeitung war auf der Mobilbox Diekmanns auch die Rede von "Krieg". Wenn die "Bild" diesen führen wolle, dann könne man darüber nach seiner Rückkehr sprechen, habe Wulff gesagt. Er drohte demnach auch mit einem "endgültigen Bruch", falls der Artikel gedruckt werde. Für ihn sei "der Rubikon überschritten", hinterließ Wulff in dem Telefonat.
Es war nicht der einzige Anruf, mit dem Wulff zu intervenieren versuchte. Auch mit Eigentümerin Friede Springer soll er sich bemüht haben, ins Gespräch zu kommen. Ein weiteres Telefonat mit Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner bestätigte eine Konzernsprecherin gegenüber unserer Zeitung. Auch darin versuchte Wulff in aufgebrachtem Tonfall, den Artikel aus dem Blatt zu bekommen. Döpfner soll Wulff darauf hingewiesen haben, dass die Chefredakteure die Inhalte verantworten.
Die Politik reagierte zurückhaltend auf die neuesten Erkenntnisse. Vehemente Befürworter Wulffs waren jedoch schwer zu finden. In strategischen Zirkeln der Union wuchs am Abend die Bereitschaft, Wulff "freizugeben", ihn also nicht mehr im Amt halten zu wollen. In der Koalition wurden Fragen nach einer Nachfolge verdeckt erörtert. Dabei geriet auch die Möglichkeit in den Blick, sich mit der SPD auf einen Kandidaten zu verständigen.
Die SPD forderte Wulff auf, schnellstmöglich Klarheit zu schaffen. "Wir brauchen einen Bundespräsidenten, der sich mit voller Autorität und dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger den Aufgaben seines Amtes widmen kann", erklärte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Aufklärung tue not, die "Salami-Taktik" müsse ein Ende haben. Ein Staatsoberhaupt sollte grundsätzlich nicht versuchen, kritische Berichterstattung zu unterbinden. "Das wäre unwürdig", betonte Heil. Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke fragte Wulff, "ob das Präsidentenamt nicht durch sein taktisches Verhalten und seinen mangelnden Aufklärungswillen viel deutlicher beschädigt wird, als es durch Kritik an seiner Person möglich wäre".
"Ich rate zur Besonnenheit", sagte Klaus Ernst, der Chef der Linkspartei. Wulff tue sicherlich gut daran, schnell reinen Tisch zu machen. Die Chance zur persönlichen Aufklärung in eigener Sache müsse ihm aber eingeräumt werden. "Es wäre schön, wenn der Präsident in dieser schwierigen Zeit bald wieder politische Impulse setzen könnte."
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte unserer Zeitung zu Urlauben in Unternehmer-Villen und der Annahme von Privatkrediten: "Wir stehen schon mehr unter Beobachtung und haben eine Vorbildfunktion. Das muss jeder Politiker wissen."
Ex-"Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust nannte Wulffs Anruf ein "politisches Selbstmordkommando": "Wenn man so etwas bewusst auf die Mailbox spricht, dann muss man von allen guten Geistern verlassen sein." Der Journalistenverband betonte, dass sich Prominente kritische Berichterstattung gefallen lassen müssten.